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Fakten zur Aufführung 

LOUISE / JULIEN
(Gustave Charpentier)
2./3. Dezember 2000

Theater Dortmund

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VERLOREN IN DER FREIHEIT

Lebensgefühle in einer Metropole, die Verworrenheit in unbegriffener Freiheit, das Ausnutzen von Menschen durch Menschen; diese topoi der Zeitenwende hat Gustave Charpentier in zwei Opern um die Jahrhundertwende in Paris realisiert. John Dew hat sich dieser vergessenen Werke erinnert, sie - nostalgisch - in die 70er Jahre verlegt, und präsentiert in der Endphase seiner Dortmunder Zeit einen aufwendigen Doppelabend mit enormem Effekt. In der "Louise" geht es um die Liebe zum aufstrebenden Dichter Julien und die qualvolle Ablösung der jungen Frau aus ihrer engen familiären Situation - doch deutet sich die hoffnungslose Situation der ausgenutzten "Muse" an, die im "Julien" tragisch endet. Der nach Freiheit strebende, rauschhafte Julien scheitert im "Zirkus de Ideale" verzweifelt orientierungslos.
Dew gelingt eine faszinierende Mischung von realistischen Milieustudien, exotischen Sequenzen und ekstatischen Einzelporträts, unterstützt von einem ebenso phantasiereichen wie interpretierendem Bühnenbild Thomas Grubers mit den farblich imaginativen Kostümen von Jose-Manuel-Vasquez - eine ästhetische Show von höchstem Reiz!
Diese optische Vielfalt korrespondiert mit Charpentiers musikalischer Sprache: in der "Louise" (uraufgeführt 1900) noch eher impressionistisch verhalten, im "Julien" (1913) von einer Expressivität, die an die Ausbrüche Richard Strauss' gereicht. Axel Kober animiert das Philharmonische Orchester Dortmund zu elegischen Klängen, zu gewaltigen Klang-Eruptionen und begleitet sowohl die Handlungen als auch die inneren Erschütterungen der Solisten.
Barbara Dobrzanska spielt die zwischen freier Liebe und tradiertem Familienzwang hin- und hergerissene Louise anrührend, verkörpert die Verweise auf den Zusammenhang Kunst-Emanzipation in aller Gebrochenheit und singt die schwierige Partie äußerst souverän, die Gelegenheiten zu lang fließenden Kantilenen stimmschön auskostend. Als Julien hat Norbert Schmittberg eine "Mono-Oper" zu bewältigen, die seinem hellen, nuancenreichen Tenor alles abverlangt. Er besteht die Herausforderung mit Bravour, so wie das gesamte Ensemble und der präsente Chor die vielfältigen Farben der facettenreichen Musik Charpentiers virtuos bewältigen.
Nach der musikalisch langatmigen "Louise" faszinierte der missachtete "Julien" ein enthusiasmiertes Premierenpublikum: dieser eruptive Monolog mit seinem "Oh Mensch!-Pathos" wird sicherlich nicht zum letzten Mal seine Anhänger gefunden haben - und diese geniale Arbeit Dews wird im opernfreien Dortmund einen langen Schatten werfen. (frs)