Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

DIE WALKÜRE
WESENDONCK-LIEDER

(Richard Wagner)
SINFONIE NR. 5
(Hans Werner Henze)

Festival Klangvokal Dortmund
Konzerthaus Dortmund


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Wagner, Henze und Wagner-Henze

Siegmund und Sieglinde glücklich zusammen, die Geschwister nicht länger getrennt. Kurz zuvor gibt die Weltesche das Schwert Notung frei – so weit der erste Akt der Walküre. Es geht auch ohne große Opernbühne, ohne üppige Ausstattung. Wenn man SängerdarstellerInnen hat, die den „Mangel“ einer halbszenischen Aufführung durch feines Minenspiel, durch fein nuancierte Gesten und hochkonzentrierte Bühnenpräsenz ausgleichen. Angela Denoke ist so eine Darstellerin, die die Ankunft des Unbekannten im Hause ihres Gatten Hunding gewärtigt, ahnend, wer er sein könnte. Mit jeder Muskelfaser durchlebt sie diese Situation. Denokes Stimme: eine Wucht! Da gibt es balsamisches Piano zu hören, ebenso gut ein sattes, nirgends bemüht klingendes Forte – und brillante Spitzentöne, die dem Orchester-Tutti locker Paroli bieten.
Und da ist Hunding, dieser Fiese, Rachelüstige. Stephan Klemm ist nicht nur physiognomisch eine exquisit passende Erscheinung, sondern auch stimmlich geradezu ideal besetzt. Sein gebieterischer, starker Bass flößt Ehrfurcht ein. Stig Andersen als Siegmund fällt Denoke und Klemm gegenüber ein wenig ab. Er hat das Zeug zum Heldentenor, hält aber in diesem Walküren-Trio noch nicht ganz mit. Seine obertonreiche Stimme zeigt keine Höhenprobleme, dürfte aber („Winterstürme wichen dem Wonnemond“) noch mehr an lyrischem Schmelz gewinnen.

Mit diesem konzertanten Wagner geht das Klangvokal-Musikfestival in Dortmund zu Ende – glanzvoll. Bereits im zweiten Jahr seines Bestehens hat sich diese bemerkenswerte Konzertreihe schon erstaunlich gut etabliert, in der Stadt und in der Region. Das Programm ist ansprechend und sehr vielfältig, die Eintrittspreise sehr angemessen. Außerdem bleibt man nicht im kulturellen Elfenbeinturm, sondern geht hinaus in die Szene vor Ort - ein Konzept, das aufgeht!

Dem von Franziska Severin konzertant eingerichteten Walküren-Akt vorgeschaltet waren zu Beginn Hans Werner Henzes Sinfonie Nr. 5 aus dem Jahr 1963, ein Dreisätzer von 25 dichten Minuten, beherrscht von starken Kontrasten: hier knackig-knalliges Blech, dort die Zärtlichkeit der hohen Streicher. Eine faszinierende und vielschichtige Klanglandschaft, bei der Henze aus dem orchestralen Vollen schöpft. Die Dortmunder Philharmoniker saßen in Riesenbesetzung auf dem Podium im Konzerthaus, unter anderem mit zwei Harfen, zwei Klavieren, zwei mal drei Pauken. Am intensivsten dabei das zentrale Adagio mit langen Soli von Altflöte, Englischhorn und Bratsche – von einem klagenden Gestus wie die Hirtenweise zu Beginn von Wagners drittem Tristan-Akt.
Bindeglied zwischen Henze-Sinfonie und Wagner-Walküre: Wagners Wesendonck-Lieder in der kongenialen Instrumentierung Henzes. Diese in Dichtung und Musik gegossene gegenseitige Liebesbezeugung des Komponisten und seiner Muse findet in Alexandra Petersamer eine zutiefst emotionale Interpretin, voller Dramatik im „sausenden, brausenden Rad der Zeit“, Mitleid fühlend im „Treibhaus“, und ganz und gar zu Tränen rührend, wo es um die „wunderbaren Träume“ geht, die den „Sinn umfangen“ halten. Das geht unter die Haut. Kleiner Wermutstropfen: die sehr gedehnten Tempi, die Jac van Steen am Pult der Philharmoniker anschlägt, was aber nie zu einem Spannungsabfall führt. Davon kann an diesem Abend ohnehin nicht die Rede sein, ganz im Gegenteil. Das Orchester zeigt sich in der eröffnenden Henze-Sinfonie in allerbester Form, spielt präzise wie ein Uhr- und temperamentvoll wie ein Feuerwerk. Und der Walküren-Akt: ein Rausch, eine Ekstase, auch ein sehr intimes Hineinhorchen in die so dichten Momente im Leben dreier schicksalshaft miteinander verbundener Menschen. Dies alles (den ganzen Abend über) begleitet von der Videoinstallation von Victoria Coeln, die denen etwas bedeuten mag, die empfänglich für abstrakte bewegte Bilder sind.
Standing Ovations und nicht enden wollender Beifall.

Christoph Schulte im Walde