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Fakten zur Aufführung 

HÄNSEL UND GRETEL
(Engelbert Humperdinck)
16. November 2007 (Premiete)

Theater Dortmund


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Zauberhaft

Das dürfte ein Glückstreffer sein für die in letzter Zeit nicht gerade mit Fortune gesegnete Dortmunder Oper: Dominik Wilgenbus und Ausstatterin Sandra Linde interpretieren frisch und fröhlich Engelbert Humperdincks ewig-junges Märchen „Hänsel und Gretel“ – mit einer Verve, die dem Haus bei entsprechender Mundpropaganda scharenweise Zuschauer bescheren wird.

Hänsel und Gretel sind liebe, brave Kinder, die in ihrem großbürgerlichen Elternhaus irgendwann am Ende des 19. Jahrhunderts leben. Bald ist Weihnachten, man beginnt den Baum zu schmücken. Sogar die Verwandtschaft ist schon da – und ihren erwartungsvollen Augen sollen Hänsel und Gretel ein Märchen vorspielen. Doch die Kinder träumen sich hinaus aus ihrer Welt, die von Regeln und Geboten bestimmt wird – träumen sich hinein in einen wilden, verwunschenen Wald, düster wie Tolkiens „Fangorn“.

Zweige und Äste beginnen ganz langsam das Wohnzimmer zu überwuchern. Schon bald sind die Kinder allein in ihrer Fantasiewelt, von einem entzückenden Schmetterling, ein paar wandernden Fliegenpilzen und einem putzigen Eichhörnchen mal abgesehen, auch behütet von kindlichen Engeln, die zum himmlischen Festmahl laden. Das ist die schöne Seite des Traums – auf der anderen steht die böse Hexe Rosine Leckermaul, die die eben gewonnene Freiheit der Kinder sofort wieder zunichte machen und sie am Ende gar vertilgen will. Um ihre Absicht zu verschleiern hat sie sich, vielleicht ein wenig zu üppig, in einen schreiend rosafarbenen Reifrock gezwängt und sieht darin aus wie eine zu dick geratene Barbiepuppe. Darunter aber trägt sie - schwarz wie ihre Seele – ihr Hexenkostüm. Und erst ihr Haus aus leuchtenden Haribo-Bausteinen! Daran hätte selbst Thomas Gottschalk seine helle Freude. Wer könnte da widerstehen?

Hannes Brock ist diese Hexe „de luxe“ – und er gibt sie mit größter Lust und diebischer Entzückung. Schade, dass er/sie am Ende im Ofen verbrennen muss.

Voll detailverliebter Überraschungen ist diese Inszenierung, bei der Bühnenbild und Regie sich geradezu symbiotisch miteinander verbinden. Man kann sich an den Kleinigkeiten gar nicht satt sehen. Herrlich der Rabe, der als Hexendiener nach dem Tod seiner Herrin arbeitslos geworden ist und in der Fremde nach einem Dach über dem Kopf suchen muss. Dies nur einer von vielen kleinen intelligenten Momenten.

Und auch die Dortmunder Philharmoniker unter Günter Wallner sorgten am Premierenabend für Sonnenschein: Humperdincks schlichter Volkslied-Ton wurde sorgsam gepflegt, und in dickster Sinfonik schimmerte mit Gravität immer auch der Meister vom Bayreuther Hügel durch. Nicht durchweg mithalten konnte das singende Ensemble. Ausnahmen: Julia Novikova, Publikumspreisträgerin des Gütersloher Gesangswettbewerbs „Neue Stimmen“. Sie brachte Glanz in die Rollen von Tau- und Sandmännchen. Franziska Rabl brauchte als Hänsel Anlaufzeit, um zu guter Form zu finden. Brian Dore als Besenbinder glich immerhin einem noch ungeschliffenen Rohdiamanten, der Potenzial hat.

Martina Schilling sang die Gretel mit mädchenhaftem, aber oft unkontrolliertem Sopran, der an Körper noch zulegen muss; Ji Young Michel (Gertrud) konnte dem deutschen Idiom gar nichts abgewinnen. Auch war und ist ihr wildes Vibrato noch immer sehr gewöhnungsbedürftig.

Gleichwohl: die fantastische Regiearbeit lässt ganz schnell über kleine musikalische Ecken und Kanten hinwegsehen. In Dortmund ist märchenhaftes Träumen angesagt. (cws)

 


Fotos: Andrea Seifert/Stage Pictures