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Fakten zur Aufführung 

GÖTTERDÄMMERUNG
(Richard Wagner)
15. April 2007 (Premiere)

Theater Dortmund

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Hagen lebt

Aus der langatmig-orientierungslosen Phase der Selbstfindung erblüht die euphorische „goldene Epoche“, am Ende selbstzerstörerischer Exzesse steht der mörderische Manipulator Hagen selbstbewusst vor einer Spiegelwand – und fixiert das Publikum. Die Katastrophe sind wir alle. Die schwarz-rot-goldenen Rheintöchter tragen den unheilvollen Ring aus dem Haus – doch Hagen ist sich sicher: die Suche wird weitergehen. Christine Mielitz hat Welttheater mit langem Atem inszeniert, übersetzt mythische Symbolik in grandiose Theatersprache – und vermittelt spektakuläre Angebote der Nachdenklichkeit.

Doch das wollen viele Ignoranten im vollbesetzten Dortmunder Haus partout nicht wahrhaben: Nach einem sich permanent steigernden langen Abend empfängt ein frenetisches Buh-Geheul die geniale Regisseurin. Die Motive der indiskutablen Proteste bleiben unklar; manchen war wohl der zweistündige erste Akt zu ereignislos, andere störte das demonstrative Schwarz-Rot-Gold, einige fühlten sich durch das Schlussbild provoziert – aber es sind wohl die uninformierten Pseudo-Wagnerianer, die ihre Inkompetenz lautstark rauströten.

Stefan Mayers großformatige Bühne lebt durch wechselnde transparente Vorhänge mit überwältigenden optischen Effekten, kennt aber auch die pyrotechnischen Möglichkeiten und setzt bei den Kostümen und sich drehenden Architektur-Elementen auf Janusköpfigkeit und klar-getrenntes, aber in sich verzahntes Schwarz-Weiß - ein Entwurf, der permanentes alternatives Erleben provoziert und weit weg ist von schlichter Eindimensionalität.

Arthur Fagen geht mit den Dortmunder Philharmonikern das gewaltige Werk ausgesprochen „ruhig“ an, bewegt sich lange Zeit am Rande des „Stillstands“, um den Duktus kontinuierlich zu steigern und schließlich der wagnerischen Opulenz freien Lauf zu geben. Dynamik und Transparenz ergeben einen emotionalen Klang-Kosmos – doch stören einige Unsauberkeiten in der Intonation und einige wenige verpatzte Einsätze.

Das Sänger-Ensemble fasziniert je länger der Abend währt mit intensivster Rollen-Identifikation, darstellerischer Intensität und stimmlicher Kompetenz. Johanna Kibala verleiht der Gutrune ungewöhnlich selbstbewusst-kraftvolle Statur, so wie auch der Gunther durch Simon Neals kernige Phrasierungskunst zu einem ernstzunehmender Akteur im scheiternden Endspiel wird. Bart Driessen gibt einen mysteriös-machtvollen Alberich und Ji Young Michel verleiht der mahnenden Waltraute eindringlichen Charakter. Die Nornen Ji Young Michel, Maria Hilmes und Heike Susanne Daum verbreiten intensivste Zukunftswarnungen; die Rheintöchter Julia Novikova, Maria Hilmes und Franziska Rahl agieren als stimmlich und dekorativ präsente Symbolfiguren.

Vidar Gunnarsson gibt der zentralen Figur des Hagen sowohl bedrohlich-zynischen Statur als auch hintergründig-variable Stimme. Jürgen Müller ist mit seinem sensibel-ausdrucksstarken Tenor eine Entdeckung, die dem Siegfried große Glaubwürdigkeit als naiv-innovative Zukunftshoffnung gibt und ohne heldentenorale Attitüde tiefste Emotionalität vermittelt. Jayne Casselman ist eine Brünnhilde mit stupender Ausdruckskraft: Ihre darstellerischen Möglichkeiten vermitteln die Gefühle einer missbrauchten Frau, bekunden aber auch die verzweifelten Versuche zur Rettung ewiger Werte; stimmlich beeindruckt sie mit einem dramatischen Sopran, der sowohl die ausdrucksvolle Mittellage als auch die geforderten exaltierten Höhen absolut sicher beherrscht und dabei niemals den Ausdruck wahrer Gefühle vergisst – großartig!

Der Chor des Dortmunder Theaters (Leitung: Granville Walker) überzeugt durch engagiertes Zusammenspiel und durch gelungenen Gesamtklang.

Der Dortmunder Ring ist geschlossen – und über die überzeugende inhaltlich-kommunikative Konzeption und szenische Realisierung hinaus präsentiert sich das Mielitz-Haus als funktionierendes Ensemble-Theater. Jetzt fehlt noch das engagiert-kundig-neugierige Publikum. (frs)


Fotos: © Stage Picture