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Fakten zur Aufführung 

GIULIO CESARE IN EGITTO
(Georg Friedrich Händel)
14. Februar 2010
(Premiere: 31. Januar 2010)

Opernhaus Dortmund


Points of Honor                      

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Moderner Barock

Da kann man sich ein wenig so fühlen wie weiland am King’s Theatre in Händels Londoner Royal Academy of Music. Der Held tritt auf, mit weiß geschminktem Gesicht und in prachtvollem Kostüm singt er die erste triumphale Arie. Exaltierte Gesten verdeutlichen die Künstlichkeit der ganzen Situation. Die Musik, die Koloraturen sind dazu da, bestimmte Gefühle oder Tugenden zu symbolisieren – der Sänger macht sie stimmlich erfahrbar, nicht schauspielerisch.

Lukas Hemleb versucht nicht, Händels Giulio Cesare in Egitto zu aktualisieren oder gar Figuren psychologisch zu deuten. Er zeigt uns den Cesare als Barockoper, will das heutige Opernpublikum in eine vergangene Zeit entführen und das Faszinierende dieser Operngattung erfahrbar machen. Das ist ein schönes, erfrischendes Konzept.

Unterstützt wird Hemleb durch Roland Aeschlimanns ebenso einfache wie gut durchdachte Bühne: Zwei meterhohe, gegeneinander verschiebbare geschwungene Elemente mit fensterartigen Luken schaffen zwar immer neue Räume, die sich aber dennoch ähneln und statisch, ja nüchtern wirken. Barocke Atmosphäre schafft das rote Licht, in das Franz David die Bühne taucht, ehe es zum Schluss sich so golden ergießt, wie es ein prunkender Herrscher für sich gewünscht haben mag.

Kalte Pracht liegt auch in den ausgezeichneten Kostümen von Andrea Schmidt-Futterer: schwarz-rot-goldenes Gepränge - und der Titelheld am Schluss in rot-weißem Gewand. So starr sind manchmal die Kleider, dass sie absolut bewegungshemmend sind. Auch das ist Teil des Regiekonzepts. Schön auch die schwarz-goldenen Uniformen der gesichtslosen Soldaten, die ihre Kämpfe in angedeuteten Menuettschritten ausfechten.

Und das gesamte Ensemble gab sich Mühe, dieser Regiearbeit die Krone aufzusetzen. Matthew Shaw als Giulio Cesare schickt seinen mit ausgeprägtem Vibrato strömenden, mitunter reichlich rau klingenden Countertenor ohne Furcht durch die halsbrecherischen Koloraturen, bewegt sich tänzerisch in abgezirkelten Gesten – so stellt man sich das Stargehabe eines Kastraten vor.

Mit seiner hellen und im Vergleich zu Shaw deutlich runderen, ausgeglicheneren Stimme ist Alon Harari für den Tolomeo fast eine Idealbesetzung, dem es in der Tiefe noch etwas an Fülle fehlt. Messerscharf jedoch blitzt der Furor der Rachegöttinen in seiner Stimme auf.

Alexandra von der Weth glänzt als Cleopatra vor allem dort, wo sie große, lange Melismen in intensivem Espressivo und mit zartem, gleichwohl raumgreifendem Piano singt: in ihren beiden großen und überaus ausdrucksvollen Arien „Se pietà“ und „Piangero la sorte mia“. Dies die Momente, die zu den berührendsten der gesamten Inszenierung gehören.

Vera Semieniuk stattet den Sesto mit schönem und sicherem Mezzo aus, legt ihn aber insgesamt eher verhalten an. Da könnte man sich – und das Potenzial in ihrer Stimme ist gewiss da - ein Mehr an Dynamik und Ausstrahlungskraft vorstellen. Susanne Schaeffer verleiht der Cornelia in ihrer Darstellung markantes Profil, zeigt vor allem in der Höhe ihres Mezzos ihre Stärken. Im tiefen und mittleren Register klingt sie dagegen noch etwas unbehauen.

Den insgesamt sehr guten Eindruck der Solisten verstärken auch die Nebenrollen: Brian Dore als Achilla, Marko Špehar als Curio und Andrea Rieche als Nireno.

Motonori Kobayashi am Pult der Dortmunder Philharmoniker dirigiert sehr sängerfreundlich, wählt flüssige, nirgends schleppende Tempi und zaubert eine sehr sprechenden Musik hervor, die über die mehr als drei Stunden Spielzeit stets interessant und lebendig wirkt. Die Ästhetik orientiert sich eindeutig am historisch informierten Klang.

Das Publikum im Dortmunder Opernhaus – es findet sich am Karnevalssonntag ein zur ersten Repertoire-Vorstellung nach der Premiere - ist schlichtweg begeistert und applaudiert langanhaltend.
Thomas Hilgemeier

 







Fotos: Thomas Jauk/Stage Picture