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Fakten zur Aufführung 

DIE FLEDERMAUS
(Johann Strauß)
17. Oktober 2009 (Premiere)

Theater Dortmund


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Glas und Stahl - und Fin-de-Siècle-Sofas

Eine Drehbühne, darauf drei große Kästen aus Stahlrahmen und Glasfüllungen, die sich zu unterschiedlichen Räumen wandeln - das ist Bengt Gomérs Bühne für Die Fledermaus. Jede Menge Raum für Bewegung und Action. Und tatsächlich tobt in Oliver Tambosis Inszenierung ein bunter Zug allerlei Menschen über die Bühne, macht mal hier und mal dort Station. Von Inge Medert bunt gewandet, erzählen sie die Story von der Rache für einen Karnevalsscherz. Mehr als diese Rache will Tambosi offensichtlich auch nicht zeigen. Da findet sich keine Spur von Doppelbödigkeit oder vom Tanz auf dem Vulkan, das Potenzial der Straußschen Musik in Verbindung mit den mitunter subtil andeutungsvollen Texten Richard Genées bleibt ungenutzt. Der Regisseur setzt stattdessen ganz auf Gags. Das ist zu Beginn noch recht witzig, etwa wenn sich Adele zu Spitzentönen mit heißem Wachs die Unterschenkel enthaart, auch der putzige österreichische Dialekt, dessen sich Eisenstein und Rosalinde befleißigen. Doch im Verlaufe des Abends sprudeln diese Einfälle immer spärlicher und zu den wirklich großen Massenszenen wie der Verbrüderung („Brüderlein und Schwesterlein“) fällt Tambosi dann nicht mehr viel ein und es stehen doch die üblichen Fin-de-Siècle-Sofas auf der Bühne. Viel Bewegung macht noch keinen spritzigen Operettenabend. Eine eigene Handschrift bleibt Tambosi dem Werk schuldig. Schade, denn die aktuellen Zeitläufte bieten sich geradezu an, dass sie konfrontiert werden mit einer Fledermaus, die 1873/74 auf dem Hintergrund von Börsencrash und Wirtschaftskrise entstand.

Lediglich Steffen Scheumann als Gerichtsdiener Frosch lässt zu Beginn des dritten Aktes mit seinen Betrachtungen über schwarze Löcher aufhorchen – doch werden diese netten Momente in schönstem Berlinerisch dann durch überflüssig lange Dialoge wieder zerredet.

Auch musikalisch bleibt das Dortmunder Ensemble der Fledermaus einiges schuldig. Susanne Schubert fehlt es für die Rosalinde schlicht an Kraft, an Volumen. Tiefe und mittlere Lage sind dynamisch schwach, kommen kaum über den Orchestergraben, die hohen Töne sind bisweilen grell. Hannes Brock liefert als Eisenstein eine tolle schauspielerische Leistung, muss gesanglich dem fortschreitenden Abend aber immer mehr Tribut zollen. Faszinierend seine Vielseitigkeit, seine enorme Bühnenpräsenz, seine Wandlungsfähigkeit.

Einen zuverlässigen Gefängnisdirektor Frank gibt Bart Driessen mit seinem kultivierten, lupenrein intonierenden Bass; Vera Semieniuk als lebensüberdrüssiger Orlofksy kann vor allem darstellerisch glänzen, ihr bronzefarbener Mezzo darf an Kraft noch zulegen. Brian Dore als amerikanischer Notar Dr. Falke geht ganz in seiner Rolle auf, ebenso wie Stefan Boving als herrlich schusseliger Advokat Dr. Blind. Craig Bermingham gibt einen bewusst klischeehaften Opernsänger Alfred, mobilisiert dazu seinen etwas kehlig timbrierten Tenor. In der Gunst des Publikums sonnen kann sich Julia Amos als spiel- und sangesfreudige Adele. Katrin Maximiliane gibt deren Schwester Ida ganz kess.

Granville Walkers Chor zeigt diesmal nicht ganz das gewohnte, lustvolle Musizieren, vielleicht weil er zu sehr im - trotz aller ansatzhafter Bewegung - doch statischen Regiekorsett steckt. Ekhart Wycik sorgt mit den Dortmunder Philharmonikern für die Glanzpunkte der Inszenierung. Ihnen gelingt, trotz gelegentlicher Koordinationsprobleme zwischen Graben und Bühne, ein dichter, vorwärtsdrängender Strauß-Klang mit schönen Soli, dem man wünscht, er fände auf der Rampe seine Fortsetzung.

Das Dortmunder Publikum im nahezu voll besetzten Opernhaus bedankt sich freundlich für die munteren Klänge und die Action auf der Bühne. - Irgend jemand sprach während der Pause von einer „modernen“ Inszenierung. Da konnten wohl nur die drei Glaswürfel gemeint gewesen sein. Alles andere, was Oliver Tambosi präsentiert hatte, war konventionell.

Thomas Hilgemeier

 








Fotos: Björn Hickmann/Stage Picture