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Fakten zur Aufführung 

AUF DEN SPUREN FARINELLIS
4. Juni 2009

Festival KLANGVOKAL
Konzerthaus Dortmund


Points of Honor                      

Musik

Gesang

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Pure Akrobatik

Immer wenn Farinelli seine halsbrecherischen Koloraturen vom Podium schleuderte, fiel sein Publikum regelmäßig in Ohnmacht; sein betörendes Pianissimo brachte so manchen in Trance. Farinelli, der vokale Superstar im Europa des frühen 18. Jahrhunderts, muss eine schier magische Anziehungskraft ausgeübt haben. Auf Farinellis Spuren sind etliche gewandert, der jüngste ist Philippe Jaroussky - in seiner französischen Heimat überall frenetisch gefeiert, wo immer er singt.

Das war im Konzerthaus Dortmund beim Festival KLANGVOKAL kaum anders: orkanartiger Beifall für den eigentlich ganz unspektakulär wirkenden 31jährigen Countertenor, der seine Stimme voll und ganz im Griff hat. Pure Akrobatik sind jene Sturzbäche aus Tönen, wie Meister Nicola Porpora sie seinen Interpreten abverlangt. Die menschliche Stimme als virtuos geführtes Instrument! Jaroussky schafft das mit Leichtigkeit, wirft sich auch mit Schwung in die Opernszenen eines Geminiano Giacomelli oder Egidio Duni – zwei eher vergessene Komponisten, die ihre Bravourarien dem berühmten Kastraten Farinelli sozusagen auf den Leib respektive in die Kehle geschrieben haben.

Countertenöre sind in den letzten zehn, zwanzig Jahren keine Seltenheit mehr. Und so darf man Jaroussky durchaus mit seinen Kollegen vergleichen, unter denen es gewiss einige gibt, die einen ausgeprägteren, unverwechselbareren Charakter entwickelt haben als er. Jarousskys Gesang wirkt jungenhaft, vielleicht ein wenig unschuldig. Sein Ton ist schlank und integriert sich völlig in das instrumentale Spiel des „Ensemble Matheus“ unter Jean-Christophe Spinosi.

Was dem 2008 mit einem Echo-Klassikpreis ausgestatteten Jaroussky an diesem Abend ein wenig fehlt, ist das glutvolle Lodern, das Betörende seines Countertenors. Momenthaft scheint es auf in Johann Adolph Hasses Arie „Se al labbro mio non credi“ aus Artaserse, Farinellis Lieblingsoper. Großer Ausdruck, tiefe Emotionen – da erreicht der funkelnde Strahl das Herz! Auch die Musik Nicola Porporas liegt dem jungen Sänger, der stets mit beträchtlichem Körpereinsatz zur Sache geht.

Dies hat er gemeinsam mit Dirigent Jean-Christophe Spinosi: ein frischer, mitunter mit Überschwang den Taktstock tanzen lassender Alte-Musik-Spezialist, der das 20köpfige Ensemble Matheus auch in den beiden Concerti perfekt koordiniert: in Vivaldis Konzert für zwei Violinen greift Spinosi neben der (im Programmheft namentlich nicht erwähnten) Konzertmeisterin selbst zum Solo-Instrument, in Telemanns Konzert für Blockflöte, Traversflöte, Streicher und Continuo sind es zwei ungenannte Flötisten, denen eine Goldmedaille für diese exquisite Interpretation gebührt.

In Ohnmacht fällt heute angesichts der Countertenor-Töne niemand mehr. Stattdessen war orkanartiger Beifall angesagt. Und den gab es im vollbesetzten Konzerthaus denn auch zu Hauf’ und Berg für Jaroussky und all seine musizierenden Kollegen.

Christoph Schulte im Walde