Al Dschasirah meets Volksoper
Das Dortmunder Sängerensemble glänzt mit superbem Mozart-Gesang – emotional bewegend, im Duktus brillant, in den Zwischentönen ungemein ausdrucksvoll. Sylvia Kokes Konstanze bewältigt die atemberaubenden Arien mit persönlich gefärbter Koloratur-Kunst, brilliert mit hinreißend-phrasierenden Höhen. Jeff Martins Belmonte wird mit dem oft verkannten Sänger zum zurückhaltend-klangreichen Meisterstück. Selma Harkink gibt der Blonde die nötige stimmlich-vermittelte Renitenz; Tansel Akzeybeks Pedrillo singt den aufmüpfigen Diener mit variabler Leidenschaft; und Bart Driessen gibt dem Osmin ambivalente Kraft: eine wunderbare Gratwanderung zwischen harten Ausbrüchen und beinah kantilenenhaften Passagen. Der Selim Jürgen Hartmanns irritiert durch Knallchargen-Attitüde.
Das Regiekonzept von Christine Mielitz orientiert sich offenbar an den TV-Bildern Al Dschasirahs, zerlegt das Werk in abgepackte Einzelszenen, zusammengehalten durch bedrohliche Kalaschnikow-Träger in Hamas-Kapuzen, bleibt holprig und langatmig, lässt die Oper immer wieder neu beginnen, verlässt sich auf Exhibitionistische Szenen und wilder Fummeleien: die vorgegebene Diskrepanz sozialer Kontroversen und seelischer Befindlichkeiten geht unter – der idealistische Schluss bleibt aufgesetzt.
Arthur Fagen bleibt mit den Dortmunder Philharmonikern an der Oberfläche des mozartschen Ingeniums: keine Entdeckungen neuer Harmonie-Effekte, keine tragischen Anklänge, keine Phasen des Sprachlos-Werdens ob nicht-nachvollziehbarer Musik. Aber das korrespondiert mit dem platt-pseudo-aktualisierten Bühnengeschehen.
Wüstensand mit Zeltbahnen und ein eher unspezifischer Haremsraum: Hartmut Schörghofers Bühne beschwört das Klischee pseudo-authentischer Geiselsituationen; entsprechend die westlich-islamistisch kontrastierenden Kostüme Renate Schmitzers.
Im Dortmunder Haus herrscht aufgekratzte Opern-Stimmung: gespanntes Mitgehen, begeisterter Szenenapplaus, kontroverse Buhs und Bravos am Ende – eine erfrischend neue Atmosphäre im bislang eher apathischen Auditorium. So kann’s weitergehen! (frs)
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