Lamenti
Händel in Italien: Nach gewonnener Perfektion für Kirchenmusik in Halle und dramatischer Musik in Hamburg gewinnt er nach 1706 in Italien das Verständnis für den Ausdruck menschlicher Gefühle. Die in dieser Zeit entstandenen emotional erregenden Kantaten werden zum intensiven Projekt der Zusammenarbeit von Oper und Tanztheater in Dortmund.
Franz Gronemeyer schafft einen offenen Bühnenraum, der sich vom Orchestergraben bis zur Bühnenrückwand erstreckt – mit „begehbaren“ Wänden, die Handlungsräume für die aktiven Tänzer schaffen und „Fluchträume“ für die existenziell getroffenen Frauen bieten.
Julia Novikova singt die tief enttäuschte Clori, die ihrem Geliebten in die Unterwelt folgen will; Lydia Skourides verleiht der betrogenen Armida bewegende Stimme; Aleksandra Zamojska ist die leidenschaftlich zerrissene Agrippina; und Maria Hilmes verzweifelt als Lukretia an der Ehrlosigkeit des „Frevlers“. Zutiefst berührende Frauenschicksale, darstellerisch und sängerisch bewegend vermittelt. Sebastian Hirns Regie beschränkt sich auf die optimale Positionierung der leidenden Frauen – das allerdings gelingt äußerst attraktiv; doch will sich kein überwältigender Zusammenhang einstellen.
Dazu tanzen die Mitglieder des Dortmunder corps de ballet in der Choreographie von Xin Peng Wang ausdrucksstark-virtuos, bestätigen ihre Kompetenz in Sachen adäquater körperlich-kommunikativer Umsetzung musikalischer Vorgaben.
Granville Walker gelingt mit den Dortmunder Philharmonikern ein differenzierter Händel-Klang, allerdings häufig vom Dienst an der Choreografie demontiert – um dann eher zögerlich den barock-federnden Duktus wieder zu finden.
Dem Dortmunder Publikum im voll besetzten Haus gefallen vor allem die Ballett-Passagen, der Beifall ist intensiv und lang anhaltend. Offenbar gibt es in Dortmund eine begeisterungsfähige Tanztheater-Szene. (frs)
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