Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

CARMEN
(Georges Bizet)
21. April 2007
(Premiere: 23.9.06)

Theater Dortmund

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


Tickets

(0231) 50 27 222

 

zurück       Leserbrief

Spannung pur

Beverly Blankenship setzt mit ihrer Dortmunder Carmen auf die immanente Spannung einer hochdramatischen Geschichte. Carmen entwickelt sich von der renitenten Zigaretten-Arbeiterin zur moribunden tragischen Figur. Jose bleibt ein unbegriffen-verführbares Individuum. Von Beginn an lastet über dem facettenreichen Bühnengeschehen die ausweglose Todesdrohung. Es gelingen frappierend-kontrastierende Milieustudien der unterschiedlichen Lebenswelten mit überzeugender Gültigkeit.

Die Bühne Carlo Tommasis skizziert die Handlungsräume realer Attitüde und lässt dabei manche Frage nach der immanenten Stimmigkeit offen: Wieso ist die Kaserne zugleich die Zigarettenfabrik? Wieso schwanken trennende Gitter bei leichtester Berührung wie Halme im Wind? Warum steht am Schreckensort ein Unimog mit knallhell strahlenden Scheinwerfern? Die opulenten Kostüme Elisabeth Binder-Neururers geben der spannungsgeladenen Geschichte authentischen Charakter, ohne naturalistische Assoziationen aufkommen zu lassen.

Ralf Lange leitet die perfekten Dortmunder Philharmoniker zu variationsreichem Spiel. Da gibt es zwischen den brachialen Märschen und den sentimentalen Lyrismen eine Fülle von sich steigernden Emotionen, kalkulierter Aufwallungen und intensiv reflektierenden Phasen - vor allem dem Englischhorn bleibt Gelegenheit zu virtuosem Spiel.

Ji Young Michel gibt der lebenshungrigen und todesbewussten Carmen darstellerisches Format - und beeindruckt mit ihrem nuancenreichen Mezzo. Simon Neal ist ein selbstbewusster Escamillo mit außergewöhnlich differenzierendem Bariton. Elena Nebera verleiht der mutigen Micaela angemessenen stimmlichen Ausdruck, und Heike Susanne Daum und Maria Hilmes sind brillante Sänger-Darstellerinnen der Frasquita und Mercedes.

Die Mitglieder des Dortmunder Ensembles präsentieren die handlungtreibenden Rollen der Soldaten und Schmuggler mit außerordentlichem Engagement, und der Chor und die Jugendlichen der Chorakademie Dortmund verbreiten Spielfreude und sängerische Kompetenz par excellence.

Geradezu hinreißend Timothy Richards als von unbegriffenen Leidenschaften getriebener Jose: Ihm gelingt nicht nur die Blumenarie als tenorale Glanzpartie; vor allem im Finale bewegt er mit seinen stimmlichen Emotionen vom bittenden Liebhaber bis zum rasenden Eifersüchtigen und zum verzweifelten Mörder die Emotionen der Zuschauer.

Und das ist eine positive Meldung wert: Zwar ist das große Haus nicht voll besetzt, aber die Stimmung ist hoch angespannt und der befreiende Schlussapplaus erreicht den Status echter Begeisterung. Fragt sich, weshalb diese faszinierende Produktion nicht zum Thema der Operndiskussion in der Fünfeinhalb-Millionen-Metropole Ruhr wurde.

PS. Die Übertitel sind zum einen außerordentlich gut lesbar, sind aber vor allem sprachlich von hervorragender Qualität. Warum findet sich der verdienstvolle Verfasser weder auf dem Besetzungszettel noch im Programmheft genannt? (frs)