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Fakten zur Aufführung 

MADAMA BUTTERFLY
(Giacomo Puccini)
6. April 2008
(Premiere: 20. November 2004)

Theater Dortmund


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Tödliche Sehnsucht

So wird ein sehnsuchtsvoll liebender Mensch zerstört: Zwischen einer brutal-egoistischen amerikanischen Lebensweise und einer gnadenlosen japanischen Tradition gibt es keine Chance für den gefühlsbestimmten Lebensentwurf der Cio-Cio-San. Christine Mielitz konfrontiert höchst differenziert die komplex-brutalen kollektiven Zwänge mit der verzweifelten Suche nach dem individuellen Glück. Es gelingen einprägsame Szenen ambivalenter, kulturell bestimmter Handlungskonventionen: Der hemmungslos ungesteuerte Pinkerton, der moralisierend-tatenlose Sharpless, der gnadenlos-normative Bonzo, der auf Besitz pochende Yamadori, die verhuscht-gefügige Suzuki. Der Mielitz gelingen Bilder höchster Eindringlichkeit, individuell übernommene Attitüden kontrastieren mit kollektivem Agieren - Butterfly wird zum Opfer der Ideologien.

Das Aufeinandertreffen einer vornehmen japanischen Tradition mit einer Gruppe besoffener Amis wirkt durch den sprachlos machenden Gegensatz der Kostüme Renate Schmitzers. Hartmut Schörghofers imaginierende Bühne – nahezu requisitenfrei, bestimmt durch Vorhänge und Schleier – gewinnt durch Ausblicke auf die Unendlichkeit des Meeres, interpretierende Licht- und Schatteneffekte geradezu philosophische Qualität.

Ekhart Wycik erarbeitet mit den präzisen, leidenschaftlich aufspielenden Dortmunder Philharmonikern einen grandios differenzierten Puccini-Klang – weitab von parfümierter Sentimentalität, dafür mit transparenter musikalischer Emotion voller stimulierender Brüche, mit empathischer Dynamik und retardierenden Pausen!

Beeindruckend die Dortmunder Sängerdarsteller: Annemarie Kremer ist eine existenziell-gefühlsbestimmte Butterfly, gibt ihr lebensvoll-leidende Stimme, drückt Zweifel, Freude, Mutterliebe, tödliche Verletzung aus – und brilliert mit einer stupenden Stimmkultur. Luis Chapa ist der brachial-hedonistische Pinkerton, dem mit seinem kraftvoll-schmetternden Tenor der aggressive GI gelingt, aber auch die glaubwürdige erschütternde Reue. Simon Neals Sharpless vermag mit pseudo-einfühlsamer Artikulation den ambivalenten Charakter des „good guys“ zu vermitteln, setzt seinen klangreichen Bariton mit hoher Phrasierungskunst ein. Maria Hilmes ist eine „wissende“ Suzuki, setzt ihre variablen stimmlichen Möglichkeiten emotional ein. Mit John Heuzenroeder als devotem Goro, Charles Kim als „Freier“ Yamadori und Ramaz Chikviladze als rächendem Bonzo sind die charakterisierenden Handlungsträger typengerecht besetzt.

Im groß dimensionierten Dortmunder Haus versammelt sich ein aufnahmebereites Publikum, lässt sich von optischen Angeboten, filigraner Musik und hinreißendem Gesang gefangen nehmen – und ist von der erschütternden Botschaft ergriffen. Bleibt zu hoffen, dass sich diese außergewöhnliche Butterfly im Dortmunder Umfeld herumspricht. Wenn man dann noch ohne bürokratische Hemmnisse in der Tiefgarage problemlos die Heimreise antreten kann -- dann, ja dann muss es einem um die Zukunft der Dortmunder Oper nicht bange sein! (frs)

 




Fotos: Stage Pictures