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Fakten zur Aufführung 

DIE BASSARIDEN
(Hans-Werner Henze)
4. Dezember 2006 (konzertant)

Konzerthaus Dortmund
(Produktion der Oper Köln)

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

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Publikum

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Tödliche Utopien

Die pur-konzertante Aufführung mit ihrer Reduzierung auf exaltierte Musik und emotionalisierten Gesang macht überdeutlich, was missverständliche Inszenierungen verfremdend relativieren können. Es geht Henze nicht um das glückhafte Obsiegen des Eros über die Ratio, sondern um die Verführbarkeit durch pseudo-humane Utopien, durch „listige Halbgötter“, durch falsche Propheten, durch mangelnde kritische Reflexion und durch unbegriffenes „Glauben“. Die Aufführung der letztjährigen Kölner Opern-Produktion im akustisch herausfordernden Dortmunder Konzerthaus gerät zu einem Fanal musikalisch vermittelten kritischen Bewusstseins und zu einem Triumph der „politischen Musik“ Henzes (immerhin von 1966!)

Das riesige Gürzenich Orchester Köln präsentiert sich in avancierter Spielfreude; Markus Stenz dirigiert mit totaler Umsicht und lässt die aus vielen Quellen gespeiste kraftstrotzende Musik Henzes zum elementaren Ereignis werden. Da schmettern die Bläser, da donnern die Schlagzeuge, da klagen die Streicher, da vibrieren die Synkopen. Und das alles frei von schwülstigem Pathos oder glitzerndem musikalischen Selbstzweck! Was unter Sinnlichkeit als politischem Paradigma zu verstehen ist - hier wird es zum Ereignis (und zu nachvollziehbarer „Wahrheit“)!

Die Antagonisten Pentheus und Dionysos finden in den sinnlich-intonierenden Urban Malmberg und Ray M. Wade jr. im Verlauf des Abends immer intensivere Dimension. Dalia Schächter präsentiert eine phantasmagorisierte Agaue, Andrea Andonian warnt als skeptische Amme Beroe, Claudia Rohrbach gibt der Autonoe leidenschaftlichen Klang. Der Kadmos Dieter Schweikarts gewinnt erst allmählich dramatische Statur und der Teiresias Johannes Preißingers bleibt der eindimensional-verbissene Prophet. Das Kölner Ensemble bestätigt hohe sängerische Kompetenz, durch vernachlässigen die Sänger die auch bei konzertanten Aufführungen möglichen Chancen zu kommunikativer Gestik und Mimik (ein Hauch von Regie hätte da gut getan!).

Glücklicherweise gibt es das Libretto von W.H. Auden und Clester Kallman in englisch und deutsch - ein auf Euripides beruhender Text, der in seiner Verfremdung an Hölderlins Sophokles-Adaptionen erinnert, allerdings durch ironisierende Elemente weiter verschlüsselt ist. Für die kundigen Henze-Kenner im Publikum ein hinreißendes Ereignis, für uninformierte Besucher eine schier unbegreifliche Provokation! Aber für alle ein wichtiges Wagnis des Konzerthauses Dortmund, das nach Fortsetzung verlangt: Bringt erfolgreiche extreme Werke ins Haus, übernehmt z.B. die „Germania“ aus Berlin, den „Oedipe“ aus Bielefeld oder die Orff-Opern aus Darmstadt! (frs)


Fotos: © Mark Wohlrab