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Fakten zur Aufführung 

IL BARBIERE DI SIVIGLIA
(Gioacchino Rossini)
13. April 2008 (Wiederaufnahme)
(Premiere: 21. Oktober 2006)

Theater Dortmund


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Verrückte (Opern-)Welt

Das Leben auf den Brettern, die die Welt bedeuten, ist verrückt. Mit einem frech ironischen Seitenblick auf den Theateralltag hatte Henry Mason 2006 im Theater Dortmund Rossinis „Barbiere di Siviglia“ neuinszeniert. Die Wiederaufnahme fand zwar in einem nur halb gefüllten Haus statt, aber recht schnell machte sich auch hier gute Laune breit. Denn schon mit der Ouvertüre legt Mason los: der Tenor einer Vorstellung muss durch einen eitlen Star-Kollegen (früher sprach man noch von einem Grafen) ersetzt werden und die Übertitelanlage ist auf Bizets Carmen eingestellt. Überhaupt werden hier die Opern gerne durcheinander gewürfelt: Figaro spielt auf der Vogelfänger-Flöte, und der Star-Tenor nennt sich erstmal Nemorino und Tamino, bevor ihm dann Lindoro einfällt.

Viele kleine und große Details zeichnen diese turbulente, aber nie überfrachtete Regiearbeit aus. Manche kennt man schon, andere hat man so selten gesehen: Der zweite Auftritt des Grafen ist der Lacher schlechthin, wenn er sein Cembalo zur Tür hereinrollt.

Die Souffleuse (Berta) und der Abendspielleiter (Fiorello) haben alle Hände voll zu tun, in diesem Opernwahnsinn noch einigermaßen Ordnung zu bewahren, aber spätestens zum Finale des ersten Aktes spielt alles inklusive der Bühnentechnik verrückt.

Dementsprechend agil müssen sich auch die Sänger auf der Bühne bewegen, zusätzlich zu derselben stimmlichen Herausforderung, die Rossini ihnen in die Kehle gelegt hat. Und da hat Dortmund mit Michael Kraus (Figaro) und Tansel Akzeybek (Star-Tenor Almaviva) zwei absolute Glücksfälle auf der Bühne. Der Bariton fällt nur manchmal mit etwas schwerem Vibrato negativ auf, aber seine voluminöse Stimme besitzt gleichzeitig die nötige Leichtigkeit für das Parlando und ist bis ins Falsett präsent. Gegen ihn ist Tansel Akzeybek eher ein vokales Mittelgewicht, aber mit einer abgerundeten und wirklich schönen Stimme, die jenen Schmelz besitzt, die ein guter Tenor unbedingt haben sollte. Um die Koloraturen in der ersten Arie (wobei ihm herrlich sekundiert wird vom Männerchor) schleift er noch etwas vorsichtig herum, aber im Laufe der Vorstellung gewinnt er deutlich an Sicherheit. Dieses Potenzial sollte Dortmund unbedingt weiter pflegen, dann kann man bald von ihm die (klugerweise) gestrichene Arie „Cessa di più resistere“ erleben.

Julia Novikova ist als Sopran in der Rolle der Rosina eher ein Federgewicht. Sie zwitschert sich passend zur Szene und regiebedingter Rollengestaltung durch ihre Noten. Auf diesen kann sie herrlich trillern, jede verziert sie wie eine Torte mit viel Zuckerguss – aber alles ein paar mal zu oft. Vidar Gunnarsson (Basilio) und Ramaz Chikviladze (Bartolo) sind rollendeckend besetzt, ohne aber jemals über sich hinaus zu wachsen.

Unter der Leitung von Günter Wallner ticken die Dortmunder Philharmoniker präzise wie ein Uhrwerk. Aber schon die etwas lahme Ouvertüre zeigt, was man an diesem Abend aus dem Graben erwarten kann: Bedauerlicherweise lässt der Dirigent niemals die Zügel locker, so dass das musikalische Pendant zum Bühnenwahnsinn ausbleibt. Dieser Rossini funkelt in vielen Details, vermag aber nicht mitzureißen. Schade um eine gute Vorstellung, die ein paar mehr Zuschauer gebraucht hätte (waren die etwa alle beim Spiel gegen die Bayern?). Der Applaus des Publikums fiel gerade für Michael Kraus und Tansel Akzeybek sehr enthusiastisch aus, bevor der eiserne Vorhang sehr schnell den Abend beendete.

Christoph Broermann

 




Fotos: Thomas M. Jauk