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Fakten zur Aufführung 

TRISTAN UND ISOLDE
(Richard Wagner)
17. September 2010

Konzerthaus Dortmund


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Tristan pur

Opernaufführungen mit berühmten Besetzungen gehören seit vielen Jahren zum festen Repertoire des Konzerthauses Dortmund. Das lockt vor allem Operntouristen an, die sich mehr von Namen denn von Inhalten beeindrucken lassen. So ist zumindest für ein gut gefülltes Haus gesorgt. Etwas Skepsis bleibt im Vorfeld zurück, ob da nicht in erster Linie die allzu kulinarische Seite des Opernbetriebs genährt wird. Diese Zweifel lassen sich jedoch austreiben, wenn das Personal eines Opernabends nicht nur über große Namen, sondern vor allem über großartige Stimmen verfügt.
Dass es möglich ist, mit der Konzentration auf die musikalische Umsetzung eines Werkes ein Höchstmaß an Intensität zu erzeugen, bewies nun die zwar als halbszenisch angekündigte, letztlich aber doch durchweg konzertante Aufführung von Wagners Tristan und Isolde. Esa-Pekka Salonen ist mit Beginn dieser Saison zum Exklusivkünstler des Konzerthauses Dortmund ernannt und wird sich in den kommenden drei Jahren mit den unterschiedlichsten Projekten am Haus präsentieren. Mit dem Philharmonia Orchestra, dem er seit 2008 als Principal Conductor vorsteht, unternimmt er derzeit eine Tournee, in deren Rahmen der Tristan vier Mal zur Aufführung kommt – mit Dortmund als einziger Station in Deutschland. Die Vorstellung ist begleitet von Videoprojektionen, die der Künstler Bill Viola entworfen hat – mit Unterstützung von Peter Sellars, der dabei auf seine vor einigen Jahren in Los Angeles und später in Paris herausgekommene Inszenierung zurückgriff. Gezeigt werden Menschen und Momente, die assoziativ aufgreifen, was im Text gerade beschrieben ist. Ästhetisch genügen diese Videos sicher höchsten Ansprüchen. Da die Aufführung aber sonst ganz in der Manier einer konzertanten Aufführung stattfindet und mit Ausnahme weniger Stellen, an denen Sänger und Instrumentalisten auf den Rängen des Konzerthauses platziert werden, kaum Andeutungen szenischer Vorgänge stattfinden, bleiben die Projektionen zwar schön anzusehen, dabei aber ohne eine unmittelbare Funktion.
Der entscheidende Grund, warum es dieses Accessoires nicht bedurft hätte, war eine insgesamt überragende Leistung aller Beteiligten. Salonen ist sicher kein ausgewiesener Operndirigent, dafür fehlt es ihm an einigen Stellen noch am unmittelbaren Reaktionsvermögen auf Stimmen. Mit welcher Intensität er aber Wagners Partitur ausleuchtet, zu welch homogenem und ausnehmend klangschönem Spiel er sein Orchester animiert, das hat großes Format. Er kann die ausladende dramatische Geste durchweg mit dem differenzierten Auffächern der Instrumental- und Klangfarben verbinden und erreicht dadurch eine selten zu hörende Transparenz.
Unter den Solisten ragt Violeta Urmana heraus. Sie singt eine technisch vollkommen versierte, mit großer emotionaler Intelligenz gestaltete Isolde und empfiehlt sich mit diesem Abend nachdrücklich als eine der weltweit führenden Interpretinnen dieser Partie. Auf ebenso höchstem Niveau bewegt sich Anne Sofie von Otter als Brangäne. Trotz der teilweise gefährlichen Lautstärken des Orchesters lässt sie sich in keinem Moment zum forcieren hinreißen. Der Wachgesang im zweiten Aufzug gerät zu einem Höhepunkt der Aufführung.
Gary Lehmann als Tristan dunkelt seinen Tenor mitunter noch zu sehr ein. Das wäre bei den für die Partie idealen Farben und der in allen Lagen sicher ansprechenden Stimme nicht nötig, fällt andererseits auch kaum ins Gewicht, denn mit einem famos gesungenen zweiten und einem bis an die physischen Grenzen ausgeschöpften dritten Akt gibt auch er ein vokales Porträt von außergewöhnlicher Güte.
Matthew Best als König Marke und Jukka Rasilainen als Kurwenal verfügen nicht nur über prachtvolles stimmliches Material, sondern zeigen dies zudem in ebenfalls bestechender Form. Besonders Rasilainen vermag damit im dritten Akt als sorgenvoller Kurwenal zu rühren. Stephen Gadd als Melot, Joshua Ellicott als Hirte und Stimme eines jungen Seemanns sowie Darren Jeffery als Steuermann ergänzen das Ensemble kompetent in den kleinen Partien. Der Sinfonische Chor der Chorakademie am Konzerthaus Dortmund gibt mit großer Präzision den kurzen, aber heiklen Part.
Schade, dass kaum der letzte Ton des Liebestods ausgeklungen war, bis die ersten begeisterten Zuhörer ihren ungestümen Beifall bekundeten. Schließlich brach der Saal in einhelligen, frenetischen Jubel mit stehenden Ovationen aus. Zu Recht, denn diese Aufführung zeigte insgesamt ein musikalisches Format, wie es derzeit auch an den großen deutschen Häusern keineswegs Standard ist.

Christian Schütte

 





Fotos: Benjamin Ealovega - Bill Viola Studio