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Fakten zur Aufführung 

LA TRAVIATA
(Giuseppe Verdi)
12. September 2010
(Premiere: 10. September 2010)

Landestheater Detmold


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Ein kurzes Leben

Da ist eine gehörige Portion Todessehnsucht vorhanden: Violetta weiß, dass sie sterben wird und sie wünscht den Tod herbei. Ihr Leben geht zu Ende wie vorher ihre große Liebe. Daran mahnt Ausstatterin Petra Mollérus mit einem offenen Sarg, der zu Beginn des dritten Aktes wie ein Mahnmal aufrecht auf der Bühne steht. In ihm wird die „Traviata“ ihr Leben aushauchen – und das getröstet im Kreise ihrer Lieben, die schon Kerzen angezündet haben. An dieser Stelle lässt der Detmolder Intendant Kay Metzger dem Kitsch vielleicht etwas viel Auslauf.
Vorher gibt es in Detmolds neuer Traviata wohltuend wenig davon. Metzger spinnt energisch und vorwärtsdrängend die Geschichte einer Amour fou, die kaum dass sie begonnen hat schon beendet wird. Eine Drehtür ist das beherrschende Bühnenelement. Und mehr bedarf es auch fast nicht, um die Wechselfälle eines kurzen Lebens zu versinnbildlichen. Durch diese Tür kommen und verschwinden mit den Menschen auch Hoffnungen, Sehnsüchte und Ängste. Das ist so einfach und doch so klar und direkt.
Schon in der Ouvertüre inszeniert Metzger den Weg Violettas vom verführten Kind zur Bordsteinschwalbe und zu der die Männer manipulierenden Kurtisane. Deshalb kann er sich im Folgenden auch auf die Beziehungen der Figuren untereinander konzentrieren. Das Liebespaar Violetta und Alfredo wird zum Fokus. Metzger legt so eine klar strukturierte, gut nachvollziehbare Deutung der Traviata vor, die sich perfekt sowohl an Verdis Partitur als auch an Piaves stringentem Libretto orientiert.
Das Detmolder Regieteam weiß nicht zuletzt die Anforderungen an ein reisendes Landestheater wieder einmal bestens zu erfüllen. Diese Traviata hat ob ihrer gekonnten Schlichtheit das Zeug zu einem Exportschlager.
Erich Wächter animiert das Symphonische Orchester des Landestheaters Detmold zu einer tollen Leistung: Federnd leicht ist ihr Verdi, ungetrübt im Tal der Tränen und himmelhochjauchzend im Hochgefühl der neuen Liebe.
Daniela Bruera kämpft mit der Titelpartie, hörbar ringt sie um Töne und Gestaltung - das ist toll in den Szenen tiefster Verzweiflung. Und so gelingt das Addio, del passato denn auch am besten. Hingegen bleiben überschwängliche Liebeslust und Freude eher etwas unglaubwürdig.
Per-Håkan Precht ist ein Tenor, der für Verdis Alfredo genau das richtige Timbre mitbringt. Doch schießt er – gemessen an den Ausmaßen der Detmolder Bühne und deren Erfordernissen - im Fortissimo permanent übers Ziel hinaus: Precht singt viel zu laut. Und er kultiviert ein seltsames ästhetisches Phänomen: innerhalb kürzester Phrasen oszilliert er zwischen drastisch aufgedrehter Stimme und Tönen, die schlichtweg im Nichts verschwinden. Da entstehen keine kantablen Linien, eher wirkt seine Darstellung wie krasse Pendelausschläge.
„Am besten war doch der Vater“, war nach Ende der Vorstellung vor dem Detmolder Theater zu hören. Und Andreas Jören rechtfertigt diese Aussage mit seinem ebenmäßigen, stets ausgeglichenen und perfekt kontrollierten Bariton. Sein auch darstellerisch äußerst überzeugend gelungener Germont ist ein mitleidender Mensch, kein brutaler Karrierist.
Aus den kleineren Rollen ragt Evelyn Krahe hervor, deren nobler Alt der Flora Bervoix Gewicht und Statur verleiht. Kevin Dickmann (Baron Douphal) und Yo Sep Park (Gaston) agieren mit großem Selbstbewusstsein. Als neue Mitglieder des Detmolder Opernstudios geben sie einen prima Einstand.
Das Publikum im nahezu ausverkauften Haus war ganz bei der Sache und applaudierte begeistert.

Thomas Hilgemeier

 









 
Fotos: Michael Hörnschemeyer