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Fakten zur Aufführung 

IL VIAGGIO A REIMS
(Gioacchino Rossini)
24. Juni 2010 (Premiere)

Musikhochschule Detmold
(im Landestheater Detmold)


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Internationaler Belcanto-Spaß

Rossinis Il Viaggio a Reims kann man getrost als Nummern-Revue unter seinen Opern betrachten, denn eine Handlung im Sinne des Titels bleibt weitgehend aus. Die „Reise nach Reims“ zur Krönung Karls X. findet ja nie statt und ist damit die Belcanto-Version von „Warten auf Godot“. Daher steht wohl als zweiter Titel „Das Hotel zur goldenen Lilie“ darunter, wo sich zehn Adelige die Zeit des Wartens mit allerlei Situationskomik vertreiben. Da wird mit Hilfe des Hotelpersonals geflirtet, geliebt, geweint, gelacht und – typisch Rossini – gegessen.

In Schwung kommt die Handlung nur, wenn sich herausstellt, dass die Reise mangels Pferde ausfällt, aber man den frisch gekrönten König in Paris auf einem Fest bejubeln könnte. Auch die Musik erreicht hier mit einem Ensemble aus 14 (!) Stimmen einen Höhepunkt, was angesichts der vorangegangen und noch folgenden musikalischen Ereignisse schon eine Leistung für sich ist. Denn Rossinis Partitur aus aberwitzigen Koloraturen und Parlando und aus farbenreicher Begleitung verleiht dem ganzen Werk einen Schwung, dass man auf eine temporeiche Handlung glatt verzichten kann.

Für die Musikhochschule Detmold, die sich regelmäßig im Sommer im Landestheater präsentiert, ist Rossinis Werk Chance und Herausforderung gleichermaßen. Ersteres, weil man 17 Rollen besetzen muss, so dass man wirklich viele Studierende in die Produktion einbinden kann. Letzteres, weil diese Musik alles andere als einfach ist. Mit der Premiere haben einige Sängerinnen und Sänger eine Visitenkarte für die Zukunft abgegeben: Allen voran Sarah Davidovic, die als Contessa di Folleville genau den Nerv ihrer Rolle traf. Darstellerisch hätte sie die modebewusste Gräfin sogar noch affektierter anlegen können, aber so kam ihr erstklassiger, scheinbar müheloser Gesang noch besser zur Geltung. Mit pfleglicher Behandlung und vorsichtiger Rollenwahl wächst hier eine Künstlerin heran, die als Koloratur-Sopran große Karriere machen kann.

Ähnliches Niveau wurde mit Mi Rae Choi als schön lyrische Corinna erreicht und mit Britta Strege, die der polnischen Marchesa Melibea nichts an Feuer und Koloraturen schuldig blieb. Anna Bürk als Delia und Marina Herrmann als Hotelbesitzerin Madama Cortese, die zu Beginn ein halsbrecherisches Parlando meisterte, ließen ebenfalls kaum Wünsche offen.

Bei dieser femininen Power hatten es die Herren etwas schwerer, aber auch hier konnte man echte Talente entdecken: Jae Song Yu bot als Lord Sidney einen schönen, beweglichen Bass und eine umwerfende Komik. Seine Arie voller gescheiterter Selbstmordversuche und einem wundervollen Querflöten-Solo blieb als ein Highlight des Abends im Gedächtnis. Gregor Loebel als Barone di Trombonok wusste mit Bühnenpräsenz und prägnanter Stimme zu punkten. Chang Hyun Kim hatte auch vokal genug Schwung für den windigen Franzosen Belfiore. Sangjun Lee und Woo Kyung Shin boten ihren russisch-spanischen Rivalenkampf um die Polin Melibea mit viel Leidenschaft und vokaler Attacke. Kevin Dickmann sang einen eleganten, wortdeutlichen Don Profondo.

Viele der kleinen Rollen waren auch im Chor wieder zu finden, der in seinen Einsätzen wirklich sehr präsent war und voller Elan die Szene mitgestaltete. Sehr umsichtig, aber auch fordernd wurde die Aufführung von Fabio Vettraino geleitet, der – genau um die Fähigkeiten seiner Sänger wissend – sich nicht nur auf eine nette Begleitung beschränkte, sondern dem sehr aufmerksamen und konzentriert spielendem Orchester der Hochschule für Musik einen spritzigen, federnden Klang entlockte.

Die Regie von Thomas Mittmann im praktikablen Bühnenbild von Michael Engel untermauerte die Musik mit vielen kleinen Einfällen, mit choreographischen Einlagen und Slapstick, so dass die Situationskomik des Werkes voll zum Tragen kam. Zum internationalen Finale spielte selbst die Übertitelanlage mit und zeigte mal den Text in Russisch, mal ein Rezept von Rossini und bei der deutschen Nationalhymne auf Italienisch stand da nur: „Einigkeit und Recht und Freiheit.... den Rest kennen Sie ja“.

Nach der gelungenen Fledermaus im letzten Jahr konnte die Hochschule erneut einen vollen musikalischen Erfolg verbuchen. Das Publikum war natürlich gespickt mit familiären und freundschaftlichen Fans der Musiker und feierte sie – schon während der Aufführung – mit heftigem Applaus. Diese Möglichkeit einer Opernproduktion, wo die Musikerinnen und Musiker ihre Fähigkeiten erproben können, ist für jede Hochschule der Musik wünschenswert, da eine derartige Aufführung allen Beteiligten viel Selbstvertrauen verleihen kann.

Christoph Broermann