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Fakten zur Aufführung 

MACBETH
(Giuseppe Verdi)
11. Juni 2010
(Premiere: 28. Mai 2010)

Landestheater Detmold


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Treibstoff der Geschichte: Blut

Drei Requisiten spielen die Hauptrolle. Das erste ist ein Messer, eines im Dauereinsatz. Das zweite Requisit hat direkt damit zu tun: Theaterblut steht eimerweise parat und fließt in Strömen. Das dritte Requisit ist ein langer fahrbarer Tisch. Dazu ein paar Stühle und einige Kleinigkeiten mehr. Das ist nicht viel für Verdis Macbeth – und doch genug für Regisseur Kay Metzger und Ausstatterin Petra Mollérus, eine packende Geschichte um Macht und Geltung zu erzählen.

Gleich zu Beginn dreht sich der markante Tisch um seine Mittelachse, an einem der beiden Enden steckt das Messer im Holz. Bald segnet das erste Opfer das Zeitliche – ein Schnitt durch die Kehle tötet König Duncan, den Macbeth flugs beerbt. Während der ersten zehn, fünfzehn Minuten zieht immer wieder jene Person Aufmerksamkeit auf sich, die von Zeit zu Zeit mit Kreide an der Rückwand der Bühne Worte auf eine Tafel schreibt: „Schön ist scheußlich, scheußlich ist schön“ und so weiter. Immer wieder kommt das Schwämmchen und putzt aus, die Kreide schreib Neues. Das lenkt anfangs ab von den Darstellern, vom Geschehen, von der Musik. Bis zu dem (schnell erreichten) Zeitpunkt, da das Beschreiben der Tafel für einen selbst in den Hintergrund gerät. Und so soll es wohl auch sein: das schreibende Fräulein in Schwarz mit weißer Schürze und Häubchen hat nämlich keine andere Funktion als kurze und knappe Inhaltsangaben zu liefern. Das ist wie ganz früher beim Stummfilm, wenn die Filmsequenz von Schrifttafeln unterbrochen wurde. Und zu einem Teil erinnert die ganze Ästhetik dieser Inszenierung auch an dieses Mittel der Stummfilmzeit: das der Übertreibung. Um Emotionen wirklich deutlich werden zu lassen, dramatische Aktionen auch wirklich in ihrer Dramatik erfahrbar zu machen, musste übertrieben werden. Aber war es denn immer eine echte Tragödie, die sich da auf der Leinwand abspielte? Oder war es nicht gleichzeitig auch allerbeste und anspruchsvolle Unterhaltung?

Beide Aspekte bringt Kay Metzger auf die Detmolder Bühne. Seine Lesart des blutrünstigen Stoffs changiert zwischen absolut Ernst zu nehmender Tragödie und einer perfekt erzählten Gruselstory aus der Feder von William Shakespeare, bei der man von vornherein weiß, das alles nur erfunden und gar nicht so schlimm ist. Andernfalls würde man wohl ohnmächtig. Dieses Changieren macht den ungemeinen Reiz dieser bestens gelungenen und cleveren Inszenierung mit immer wieder frappierenden Bildern aus. Worum es in diesem Fall nicht geht: das Ausloten der Motivationen der Figuren, des monströsen Machtdrangs des Ehepaares Macbeth.

„Blut ist der Treibstoff der Geschichte“ ist im Laufe des dritten Aktes eine Zeit lang hinten auf der Tafel zu lesen. Macbeth verbraucht von diesem Treibstoff jede Menge – bis er ihn schließlich literweise eingeflößt bekommt. Dennoch ist der Blutdurst, der sich vom Machtstreben längst emanzipiert hat, schier unstillbar. Lady Macbeth wird von Wahnvorstellungen heimgesucht und bemüht sich vergebens, ihre Hände vom Blut der Gemordeten zu befreien. Da liegt sie bereits unter dem Tisch und deliriert. Grauenhaft schön! Wie auch die Darstellung der sich erfüllenden Prophezeiung, die Geister von acht Königen würden Macbeth erscheinen: nach und nach erblicken kleine gekrönte Püppchen das Licht der Welt unter dem „Ah“ und „Oh“ der Umstehenden, derweil die Kreide auf der Tafel Buch führt. Schauer und Humor – beides liegt dicht beieinander, hier und den ganzen Abend lang.

Andreas Jören identifiziert sich mit Hingabe und voller stimmlicher Energie mit der Titelpartie: ein skrupelloser Machtbesessener – am Ende aber auch ein Gescheiterter, der sich dem Schicksal fügt. Das ist in Jörens Darstellung unmittelbar zu spüren. Seinen Kompagnon Banquo gibt Vladimir Miakotine, der damit wieder einmal eine auf ihn perfekt zugeschnittene Rolle stattlich ausfüllt und klanglich durchweg pures Gold verströmt. Brigitte Bauma ist die fürchterliche Lady Macbeth und spielt sie auch so – in ihrer ganzen Brutalität, in ihrer Zerbrechlichkeit. Klanglich schießt sie indes mit ihrem rau timbrierten Sopran oftmals übers Ziel hinaus. Da klingt manches nach Wagner für eine Riesenbühne – statt nach Verdi für ein klein dimensioniertes Haus wie Detmold. Johannes Harten als Macduff – auch er gerade unter anderem in Wagners Ring beschäftigt – lässt seinen Tenor glühen, mitunter etwas zu sehr und zu forciert.

Prächtig in Form sind der Opernchor, der Extrachor und die Statisterie. Die schlüpfen immer wieder hurtig in die aktuell geforderten Rollen: mal Hexen, mal Bankettbesucher, mal Soldateska. Jörg Pitschmann am Pult des Orchesters des Landestheaters koordiniert das Oben der Bühne und das Unten des Grabens sehr gut. Da gibt es keine Probleme. Den letzten klanglichen Schliff indes darf das Orchester noch bekommen.

Christoph Schulte im Walde

 











Fotos: Michael Hörnschemeyer