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Fakten zur Aufführung 

DER FREISCHÜTZ
(Carl Maria von Weber)
18. Juni 2006
(Premiere: 14.6.06)

Landestheater Detmold

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Romantik: Angstvisionen

Genau 185 Jahre nach der Uraufführung (18. Juni 1821) ist in Detmold die Idee der Romantik zu erleben - Innerlichkeit und Dämonie. Regisseur Jochen Biganzoli erinnert dabei eindringlich an den gewaltigen Umbruch durch den aufkommenden Kapitalismus (als Ablösung des Feudalsystems). Die Szene vermittelt diesen politischen Aspekt aber auf dem intensiven Hintergrund der Natur als Schutz, Geheimnis und Bedrohung - mit ihren spirituellen Kräften. So wird der Jäger-Schützen-Chor zur Bergarbeitergruppe, der Eremit zum Sprecher der "einfachen" Menschen. Die Zukunft Agathe/Max ist obskur, bleibt abhängig vom weiteren Verlauf des Kampfs der gesellschaftlichen Kräfte und der unberechenbaren "Natur", der unergründlich-ambivalenten Macht. Das alles wirkt wie eine Oper nach den vielschichtigen Bildern Caspar David Friedrichs: "Romantik" als radikale Gesellschaftskritik mit metaphysischem Anspruch.

Stefan Morgensterns Bühneninstallationen (und die zeitgenössischen Kostüme Claudia Schinkes) lassen mit eindrucksvollen Konstruktionen Ambivalenz der kritischen Romantik deutlich werden - der überwölbende Riesenzwerg, die permanente Verwandlung des "Volkes", die atmosphärisch dicht getroffene Kaue - und wirkt permanent bedrohlich, Angstvisionen stimulierend.

Erich Wächter gelingt bei hoher Konzentration mit dem hoch aufmerksamen Orchester des Landestheaters Detmold eine musikalische Umsetzung von höchster Intensität: bei gehaltener Spannung vermitteln Solo-Instrumente und Instrumentengruppen Takt für Takt den ambivalenten Geist Weberscher Romantik par excellence!

Mit geradezu suggestiver Spielfreude und gekonnter Sangeskunst beeindruckt das eingeschworene Detmolder Sänger-Ensemble: In den "kleinen" Rollen Andreas Jören (Ottokar), Rainer Weiss (Cuno), Vladimir Miakotine (Eremit) und Michael Klein (Kilian). Kai Günther gibt den verfluchten Caspar mit enormer psychischer Kraft. Annette Blazyczek verleiht dem Ännchen kontrastreich-fröhlichen Charakter. Jutta Maria Fries gelingen als Agathe die so bewundernswerten Zwischentöne von Lyrik und Dramatik: Liebe, Angst, Verzweiflung, Hoffnung, Mut. Johannes Harten trumpft mit heldentenoralem Impetus auf; aber ihm fehlt immer noch - bei beeindruckendem Material! - die Geschmeidigkeit, die Stilbrüche kommen zu abrupt; ein junger Sänger mit Zukunft.

Das Detmolder Haus ist trotz Sommerwetter und WM voll besetzt; die Stimmung ist gespannt-mitgehend. Bei der detmold-typischen Mischung von langjährigen Landestheater-Abonnenten und jugendlichen Opernafficionados aus dem Musikhochschul-Umfeld verbreitet sich Verständnis für die komplexe Problematik: Zustimmung mit lautstark-langanhaltendem Applaus am Schluss. Großes Theater in Detmold mit nachvollziehbaren Konfliktsituationen in inneren Räumen der Personen! (frs)


Fotos: Michael Hörnschemeyer