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Fakten zur Aufführung 

FIDELIO
(Ludwig van Beethoven)
14. September 2008 (Premiere)

Landestheater Detmold


Points of Honor                      

Musik

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Qualen – menschlich leidend

Jochen Biganzoli entdeckt im (allzu) vertrauten Fidelio neue Aspekte, „dekonstruiert“ und vermittelt die quälende Unsolidarität von außen und durch sich selbst in ritualisierten Normen. Das Gefängnis ist in uns selbst, postuliert der Existentialismus; Biganzoli macht daraus beklemmendes Bühnenhandeln, überrascht mit unerwarteten Konstellationen und frappierend nachvollziehbaren Details. Mit einer Gesellschaft „feierlicher“ Hochzeitspaare wird der „Freiheitskampf“ zur Metapher gnadenloser Ambivalenz, die als existenziell bedrohlich empfunden wird.

Heike Neugebauer stellt weiße Wände auf die Bühne, umgeben von einer angehobenen Sitzreihe, abgedeckt durch einen Plafond; im Finale dann attacca im Bühnenhimmel verschwindend, auf die kahle Bühne reduziert – im Schlussbild die Trompete im verlassenen Ambiente; offenbar lassen sich Aggressivität, Zuneigung, Leiden und Hoffen nur musikalisch ausdrücken.

Das herzhaft-vitale Orchester des Landestheaters Detmold interpretiert die Beethoven-Musik unter dem souveränen Erich Wächter mit zunehmender Empathie, wird – auch in den Instrumenten-Soli – zum „Mitspieler“ des subtil-verklausulierten Spiels.

Lakonik, Aufmüpfigkeit, Zynismus, starres Beharren werden vom Ensemble des Detmolder Theaters faszinierend interpretiert. Johannes Harten singt das „Goooott ...„ mit frappierender messa di voce-Attitüde, spielt das „Opfer“ gesellschaftlicher Kontroversen mit viel Einfühlungsvermögen und beeindruckt mit seiner enormen Stimmkraft, ist allerdings nicht frei von Momenten gestörter Konzentration. Brigitte Bauma gibt der Leonore selbstbewusste Statur, ist eine ambivalent-emanzipierte Frau und gibt dieser faszinierenden „Figur“ ungemein sichere Stimme, mit Dramatik und Lyrik in allen Lagen. Kirsten Höner zu Siederdissen ist eine kapriziös-emotionale Marzelline mit ausdrucksvoll-heller Timbrierung und brillanter Stimmführung. Vladimir Miakotine ist ein schwankend-abhängig handelnder Rocco, zuverlässig in der Intonation, sehr rollenbewusst in der „argumentierenden“ Diktion. Mit Joachim Goltz besetzt ein fulminanter Bariton die Pizarro-Rolle, vermittelt die Dialektik von Brutalität und Mobbing mit kontrolliert-brausendem Brio. Konstantinos Stavridis vermittelt einen aggressiv-verunsicherten Jaquino mit ungemein kraftvoller Phrasierungskunst. Mit dem souverän-ambivalenten „Minister“ gelingt dem stimmlich präsenten Andreas Jören ein bezwingender Auftritt. Zenon Kielemoniuk und Andreas Netzner sind als „Gefangene“ vokal präsent -- und der Chor, permanent agierend, ist unter der Leitung Felix Lemkes die kollektive Erfüllung dramatischen Gesangs!

Im traditionsreichen Detmolder Haus wurde während der Spielzeitpause der Orchestergraben erweitert; auftretende Asbest-Funde verzögerten die Arbeiten, und so gibt es die Fidelio-Premiere im Stadttheater Herford, einem 50er-Jahre-Bau mit all den architektonischen Defiziten der Zeit, aber mit theatral-dichter Atmosphäre. Im Publikum die angereisten Detmolder Insider, viele Theater-Macher aus der Republik – und ein paar Herforder.

Die Konzentration ist spürbar, es gibt zustimmenden Zwischen-Applaus - und Bravos am Schluss.

Am folgenden Abend gibt’s eine Aufführung in Velbert, direkt danach in Dinslaken -- höllische Strapazen für das Ensemble eines „Reise-Theaters“! Opernnetz wird in Dinslaken dabei sein. (frs)