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Fakten zur Aufführung 

CHLESTAKOWS WIEDERKEHR
(Giselher Klebe)
11. April 2008 (Uraufführung)

Landestheater Detmold


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Opern-Comedy

Gogols „Revisor“ hielt Anno 1836 der korrupten zaristischen Gesellschaft den Spiegel vor. 2008 schreibt Giselher Klebe ein aktualisierendes Opernlibretto mit der verblüffend entlarvenden Rückkehr des Rakes Chlestakow und der brillant-ironischen Pointe des Verdi-Boito-Schlusses „Die ganze Welt ist ein Tollhaus“. Die „verschworene“ Kleinstadt-Gesellschaft hat sich im Spiegel gesehen und selbst entlarvt – besteht aber auf dem irrwitzigen „Weiter so!“.

Im Libretto setzt Giselher Klebe auf die komische Kraft der Humoreske, variiert Gogols systemkritische Vorgaben zur allgegenwärtigen Karikatur brüchigen Selbstvertrauens der scheinbar „Herrschenden“, die von einem unbedarften Schlitzohr entlarvt werden.

Musikalisch verwendet der in Sachen Literaturoper seit Jahrzehnten versierte Klebe eine Fülle origineller melodischer Einfälle, setzt auf strukturbestimmende Rhythmen, verweist auf assoziationsreich verfremdete Mittel wieder erkennbarer Motive aus italienischer Oper, Operette, U-Musik und Minimalismus - und fügt alles zu einem grandios-spöttischen Gesamtwerk zusammen. Der Einsatz der Instrumente wird zum hoch unterhaltsamen Wechselspiel der Klänge und Emotionen.

Für die singenden Protagonisten besteht Klebe auf absoluter Textverständlichkeit, komponiert für sie eingängigen Sprechgesang, gibt aber auch Chancen zu stimmlicher Variation.

Das Detmolder Ensemble setzt diese Vorgaben lustvoll kompetent um. Johannes Harten ist der verblüfft hofierte Chlestakow mit kräftig dominierendem Tenor. Andreas Jören – mit Alsmann-Sturmfrisur – gibt den devoten Stadthauptmann mit eindringlicher Intonation. Brigitte Bauma und Kirsten Höner zu Siederdissen sind seine hysterische Frau und zickige Tochter mit wunderbarer Situationskomik und stimmlicher Präsenz. Mit Vladimir Miakotine als Kurator, Snorri Wium als Postmeister, Markus Gruber als Ossip und Kevin Dickmann als Mischka sind Karikaturen der Gesellschaft zu erleben – stimmlich flexibel, typengerecht. Dazu Torsten Lück und Johannes Eitzeroth als Wirt und Gendarm – prima integriert in den vortrefflichen Gesamteindruck.

Kay Metzgers Regie voller skurriler Situationskomik entsteht nicht aus den Mitteln der Farce, sondern konfrontiert subtile Gesellschafts-Verballhornung mit karikierten Comedy-Klischees -- und trifft im Minuten-Abstand die Komik der Situationen.

Dabei ist die pfiffige Bühne nebst skurrilen Kostümen von Petra Mollérus der wahre genius loci: Eine gefährlich schräge Spielfläche - alles ist im Rutschen - auf der kalkuliert genutzten Drehbühne mit darüber gehängter Spiegelfläche -- man sieht sich permanent selbst -- wird zum kommunikativ-desaströsen Spielort. Und imaginativ wechselnde Lichteffekte vermitteln mit ihren Schatten diffuse Elemente von Gut und Böse.

Erich Wächter geht mit dem spielfreudigen Orchester des Landestheaters Detmold auf die lustvolle Klebe-Balance von Tonalität und Atonalität ein, gibt den Instrumenten Raum für stimulierende Zwischenspiele – und verliert nie den Gesamtzusammenhang des facettenreichen „Gesamtkunstwerks“ aus dem Auge.

Dem lebhaft teilnehmenden Publikum ist die polemische Frage nach dem Sinn aktueller Opernuraufführungen fremd. Freudige Begeisterung beherrscht die zauberhafte Theateratmosphäre im intimen Detmolder Theater. Und es stellt sich nicht unberechtigt die Frage: Wann und wo wird dieses Kleinod „moderner“ Oper „nachgespielt“? (frs)

Giselher Klebe im Backstage-Gespräch mit Opernnetz: hier.

 










Fotos: Michael Hörnschemeyer