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Musical-Operette
Die Konfrontation des american way of life mit den zerstörten Fassaden
im Nachkriegs-Deutschland macht nachdenklich: Weills "Street Scene" (Libretto
Elmer Rice) von 1947 wird von Nicholas Muni als fiktive Voice of America-Production
auf das Leben eines Trümmermädchens fokussiert. Die Nachkriegs-Rose wirkt
allerdings wie ein Fremdkörper im Broadway-Gewusel der weiß gekleideten
Musical-Personage, die "Stimmung" lebt allein von der Elendsfassade, naturalistisch
diagonal über die Bühne gebaut (Stefan Rieckhoff).
Weills Komposition reiht Musical-Nummern an sentimentale Operetten-Arien
im Stil der 20er Jahre, unterbrochen von handlungstragenden Dialogen,
wie man sie aus amerikanischen Filmen der 50er Jahre kennt - das ist zwar
eingängig hörbar, lässt aber den "Ohrwurm" vermissen. Die Anhaltische
Philharmonie bietet unter Golo Berg einfühlsames Stilverständnis, vermag
aber keine elektrisierenden Funken zu schlagen, noch weniger einen ironisierenden
Duktus zu finden.
Christina Gerstberger ist eine emotional bewegende Rose mit hoher stimmlicher
Präsenz, Janice Hall übertreibt die gequälte Anna, so wie Ulf Paulsen
als Vater Frank zu dick aufträgt und Jörg Brückner als liebender Sam wenig
Profil gewinnt. Das Dessauer Ensemble agiert engagiert, beweist Fähigkeiten
von hoher Musical-Qualität.
Nachdem die letzten Zuschauer ca. 20 Minuten nach Beginn ihre Plätze gefunden
haben, herrscht hochinteressierte Aufmerksamkeit im atmosphärisch dichten
Dessauer Theater. Der Schlussapplaus ist herzlich - das kleine Feuerwerk
aus Anlass der Eröffnung des Kurt Weill-Festivals ist jedoch für viele
Besucher attraktiver als es die langen 135 Minuten zuvor waren.
Hoch zu loben: das Engagement des Anhaltischen Theaters für das Werk Weills!
(frs) |
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