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Fakten zur Aufführung 

UN BALLO IN MASCHERA
(Giuseppe Verdi)
18. Juni 2010 (Premiere)

Anhaltisches Theater Dessau


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Theater im Theater

Ursprünglich als Stoff um die reale Ermordung des schwedischen Königs Gustav III. während eines Balles Ende des 18. Jahrhunderts geplant, verlegte Verdi wegen der Zensur in Italien die Handlung seines Maskenballs ins ferne, für die regierenden Herrscherhäuser unproblematische Boston in Neuengland, aus dem gekrönten König wurde ein ziviler Gouverneur . Die Neuproduktion in Dessau greift nun wieder die ursprüngliche Version mit dem Bezugsrahmen in Schweden auf und nähert sich dem historischen Vorbild noch mit einem zusätzlichen Dreh. Gustav III. war ein aufgeklärter Monarch, den Künsten zugetan und sie fördernd. Die Inszenierung von Roland Schwab greift diesen verbürgten Rahmen auf und lässt das Stück als Theater im Theater auf einer Probebühne beginnen. In einer Anfangs-Pantomime ziehen die Laien-Schauspieler per Zufalls-Karten ihre Rollen, legen ihre jeweiligen Kostüme an und das Spiel um das tragische Schicksal des unglücklich verliebten Königs mit dem Pagen Oscar (Cornelia Marschall mit klarer Diktion) als Maître de Plaisir kann beginnen. Das funktioniert in der ersten Hälfte mit ihrer turbulenten Handlung um die Zauberin und Wahrsagerin Ulrika sehr schön, im Stil einer commedia dell'arte wird drastisch und fast überbordend gespielt, man fällt gelegentlich auch aus der Rolle und beobachtet das Spiel quasi als eigener ironischer Kommentator, geht wie im Zirkusrund auch mal sich anbiedernd und um Beifall heischend durch die erste Publikumsreihe, kurzum, man veranstaltet pralles Volkstheater mit einem gewissen Augenzwinkern.

Das gelingt auch wegen der tollen Spiellaune von Hector Sandoval (mit seinem nicht allzu großen, aber sehr stimmschön und ausdrucksvoll geführten Tenor) in der Rolle des Königs. Wie er sich ins Zeug legt und als Theatertier verausgabt sieht man auf der Opernbühne sonst eher recht selten. Seine Mitspieler brauchen dann doch etwas länger, bis sie ebenfalls in Fahrt kommen und einigermaßen mithalten können. Ein starkes Bild dabei die Wahrsage-Szene mit der Warnung an den König, dass er durch die Hand eines Freundes getötet werde, als die Zauberin Ulrika (Rita Kapfhammer mit voll tönendem Alt) aus dem Leib einer ihrer Lemuren einen soeben geborenen erwachsenen Menschen zieht.

Doch dieses doppelbödige Spektakel mit dem Spiel im Spiel (so liest Ulrika die Zukunft nicht aus der realen Hand des Königs, sondern aus einer ihr gereichten Puppen-Hand) verliert sich, je mehr das Drama um König Gustav und seine Geliebte Amelia, die Frau seines besten Freundes und Sekretärs René, in den Mittelpunkt der Handlung rückt. Jetzt wird, in durchaus eindrucksvollen Bildern, auch dank des die Bühne beherrschenden riesigen Spiegels (Bühne: Hartmut Schörghofer), der das Geschehen für den Zuschauer geheimnisvoll verdoppelt, ungebrochen die Leidenschaft um Amelia gezeigt, die schließlich in dem Rache-Mord am König kulminiert. Den stärksten Eindruck hinterlässt dabei die Schluss-Szene auf dem Maskenball, als sich die Verschwörer unter Anführung von René zu einem gespenstischen Todestanz-Ständchen mit Geigen und Bratschen „bewaffnet“ dem König nähern, ihn im Takt des fahlen Orchesterklangs in die Enge treiben und schließlich mit dem Geigenbogen erstechen.

Das stimmliche Niveau aller Protagonisten war hoch. Ulf Paulsen wusste nach verhaltenem Start auch darstellerisch voll zu überzeugen, im Hass und der Rache wegen der vermeintlichen Untreue seiner Gattin lief er mit seinem kraftvollen Bariton zu großer Form auf. Die Amelia von Iordanka Derilova hatte alles, was man von einem dramatischen Verdi-Sopran erwarten kann: die leuchtende, kräftige Höhe ebenso wie die volle Mittellage und ein zartes Piano. Und der Regisseur hatte ihr die sonst Derilova-typischen weit ausholenden Armbewegungen ausgetrieben, so dass sie umso glaubhafter ihr Gewissensdrama um Liebe und Verzicht gestalten konnte.

Die Anhaltische Philharmonie unter Leitung ihres Generalmusikdirektors Antony Hermus klang zu Beginn zu verhalten und zu gemächlich. Im Verlauf der Aufführung kam die Spannung dann auch aus dem Orchestergraben, in den großen Ensemble-Szenen fanden die Musiker zu sattem Verdi-Klang, ebenso wie der Chor unter Leitung von Helmut Sonne.

Das Premieren-Publikum feierte alle Beteiligten, einschließlich des Regie-Teams, mit großem Beifall und Fuß-Trampeln. Ein oder zwei einsame Buh-Rufe animierten die übergroße Gegen-Fraktion zu umso kräftigere Bravo-Salven. 

Axel Göritz