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Fakten zur Aufführung 

TURANDOT
(Giacomo Puccini)
14. Juni 2009 (Premiere)

Staatstheater Darmstadt


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Emotionen - gedeckelt

Rot und Schwarz sind die vorherrschenden Farben in John Dews Inszenierung von Puccinis Turandot. Auf roten Treppen und hinter hohen sterilen Wänden (Bühne: Heinz Balthes) tummelt sich allerhand chinesisches Volk in wattierten, von José-Manuel Vazquez entworfenen Jacken. Daneben gibt es drei in Zeitlupe sich bewegende Minister und einen goldenen Kaiser nebst ebensolcher Prinzessin und ein paar grün gekleidete Ausländer. Dew lässt das Drama um Macht und Liebe auf fast leerer Bühne spielen - ganz orientalisches Märchen. Dabei verzichtet er weitgehend auf einen durchgängig angelegten Interpretationsansatz, sondern setzt auf situativ entstehende Bilder. Die gelingen ihm sehr ansehnlich und üppig märchenhaft. Im dritten Akt aber versteckt er das erotische Moment in der Oper, das auch durch das nahe Beieinander von Tod und Begehren bestimmt wird, beinahe schamhaft in einem schmucklosen Bett. Das ist zum Schluss das einzige Möbel auf der Bühne, hat aber dennoch keine Symbolkraft. Die beweglichen, vom Schnürboden baumelnden Glühbirnen, die stimmungsändernd wirken sollen, sind dann doch eher komisch.

Unterbelichtet bleiben Charakterstudien, ansatzweise unternimmt John Dew sie im Hinblick auf die Titelheldin. Zu keinem Zeitpunkt erscheint Turandot als eiskalter, gefühlsloser Engel, sondern als eine von Ängsten geplagte Frau. Katrin Gerstenberger beglaubigt das in jedem Moment mit ihrem sicheren, nirgends schneidenden Sopran. Gerstenberger ist gewiss keine „Trompete“, kann ihre Kräfte aber punktgenau mobilisieren und verfügt bis zum Schluss über ausreichende Reserven. Sie hat sich dieser Rolle angenommen ohne sich zu überschätzen – eine prima Leistung. Das gilt ebenso für Susanne Serfling als Liù, die anrührend ihre Arie über die Kraft der Liebe sang. Und das gilt schließlich auch für das Hofpersonal Ping, Pang, Pong (David Pichlmaier, Lucian Krasznec und Sven Ehrke) sowie Markus Durst als Kaiser Altoum. Sie alle beweisen auch tolles Bewegungstalent.

Das indes geht Zurab Zurabishvili gänzlich ab. Er singt den Prinzen Calaf ohne Fehl’ und Tadel, keine Frage. Da sitzt jeder Ton. Doch dass der Funke - auch beim berühmten „Nessun dorma“ - dennoch oft nicht überspringt, liegt auch wohl daran, dass Zurabishvili weitestgehend an der Rampe steht und immer wieder zu den sattsam bekannten Sängergesten zu greifen hat, die man auf der Opernbühne einfach nicht mehr sehen möchte. Ist das Intention der Regie? Nebenbei fehlt der Stimme noch der letzte elektrisierende Schmelz.

Zum merkwürdig gedeckelt klingenden Puccini-Abend trägt auch das Staatsorchester Darmstadt unter Martin Lukas Meister bei. Die Farben entfalten sich durchaus sehr schön, aber gerade auch bei Puccinis mitreißenden Klangmassen, dem lodernden Finale des zweiten Aktes etwa, bleiben die großen berührenden Emotionen, das echte Gänsehaut-Feeling aus. Ein wenig gezügelt, wie unter Watte gespielt - so der Höreindruck.

Das Darmstädter Publikum spendet am Ende dennoch reichlich Beifall, feiert Susanne Serflings Liù, natürlich auch Katrin Gerstenberger in der Titelpartie. Thomas Mehnert wird für seine Darstellung des Timur mit Applaus belohnt, Chor, Extrachor und vor allem der Kinderchor, der als Schutzengel-Heerschar auftritt, zieht Sympathien auf sich. Ein paar Buhs muss John Dew einstecken, eigentlich völlig unverständlich angesichts seiner doch eher als moderat, wenn nicht konservativ zu bezeichnende Inszenierung.

Thomas Hilgemeier

 

 












 Fotos: © Barbara Aumüller