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Fakten zur Aufführung 

DAS SPIELWERK
(Franz Schreker)
2. Oktober 2002

Staatstheater Darmstadt

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APOKALYPSE

Es ist nicht die "böse" Prinzessin, die das bunt-gemischte Volk in Kostümen der Zwanziger Jahre vor der Bühne der Twin Towers ins Verderben führt: es ist der Höllenmeister mit seinem unheilbringenden "Spielwerk", das zur "tötenden Freude" animiert. Rettung: die Besinnung auf Verantwortung und Liebe. Friedrich Meyer-Oertel inszeniert Schrekers Mysterium von Oh-Mensch-Pathos, Expressionismus, Freuds und Reichs Sexualtheorien, kompositorischer Anlehnung an Verismo und Strauss als moralische Philippika: die aggressive Spaß-Gesellschaft steuert auf die Apokalypse zu, retten kann sich der naiv-ehrliche "Wanderbursche".

Das wird in einem instrumental-expressiven Bühnenbild von Heidrun Schmelzer eindrucksvoll in Szene gesetzt: auf Ground Zero ist "der Spaß" am Ende - doch bleibt Hoffnung: die Pieta von verstoßener Ehefrau mit ebenso verachtetem Sohn und das liebende Paar Prinzessin/Wanderbursche weisen die Richtung.

Unter Stefan Blunier spielte das Orchester des Staatstheaters Darmstadt ungemein präzise in den Instrumentengruppen, vorzugsweise die Flöten! Das "Geheimnisvoll-Seelische" der Schreker-Musik wird zum kommunikativen Erlebnis.

Ein hochkompetentes und -motiviertes Ensemble gestaltet die apokalyptische Vision ohne Aplomb mit darstellerischer und stimmlicher Intensität. Elisabeth Hornungs Rolle als leidend-aktive Graben-Liese gelingt ihr unpathetisch-überzeugend; der Meister Florian Anton Keremidtchievs ist stimmlich sonor, verzichtet auf unangemessene Effekte; Hubert Bischof ist als indifferent-spekulierender Wolf ein grundsolider Bariton; mit Lena Nordin ist eine zerrissene Prinzessin zu erleben, die Schrekers expressive Vorgaben zugleich melodisch und dissonant eindrucksvoll vermittelt; der "Naturbursche" wird von John Pierce (in Dortmund ein traumhaft-gelöster Tristan!) sehr einfühlsam dargestellt, seine flexible Stimme beherrscht die Tessitura souverän und beeindruckt mit klangschönem Legato. Weitere Solisten integrieren sich wandlungsfähig ins schluchtenartige Ambiente und verbreiten äußerst dichte Totentanz-Atmosphäre.

Bei der zweiten Aufführung nach der Premiere ist das wunderbar-innovative Haus trotz aller Tradition in Sachen "modernes Musiktheater" nicht voll besetzt; doch die Anwesenden sind ein intensiver Partner der Bühne - atemlos mitgehend, leidenschaftlich applaudierend. Doch fehlt dem kompetenten Publikum in der Kulturstadt Darmstadt offenbar der aktuell-ästhetische "thrill" der Produktion. (frs)