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Fakten zur Aufführung 

DON CARLOS
(Giuseppe Verdi)
13. Februar 2009
(Premiere: 8. Februar 2009)

Staatstheater Darmstadt


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Gesang

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Tödliche Machtspiele

Düster ist der geschichtliche Hintergrund. Spanien kämpft mit aller Härte um seine Provinzen in Flandern und Brabant, angetrieben von der allgegenwärtigen Kirche, die jede Ketzerei mit Feuer und Schwert verfolgt und verfolgen lässt. Folter und Tod werden als barmherzige Wohltat verbrämt, damit die Geschundenen der Ewigkeit teilhaftig werden könnten. Real hingegen bangt „Kirche“ um ihre Macht. Über Individuen, über politische Systeme, über irdische Potentaten. Kollateralschäden, so würde man heute sagen, werden mit Achselzucken in Kauf genommen. Hineingewoben in diese äußere Konstellation sind die Personen, auf deren schwachen oder starken Schultern die tödlichen Machtspiele ausgetragen werden: Don Carlos, der Reformen gegenüber aufgeschlossene Sohn des traditionalistischen Herrschers Philipp II. (in dessen Papas Reich wiederum bekanntlich „die Sonne nie unterging“), und die arme Maid, die Französin Elisabeth, die ihre Liebe zum Jungmann Carlos opfern muss, weil sie dem grauhaarigen Philipp angetraut wird. Pech gehabt, aber der Machtausgleich zwischen Frankreich und Spanien erfordert diese Zweckheirat.

Nach Schillers dramatischem Gedicht hat Giuseppe Verdi seine Oper Don Carlos geformt. In Darmstadt erlebt jetzt das 1867 uraufgeführte Werk eine eindrucksvolle Neuproduktion, deren Qualität vielleicht am besten mit dem verpönten Wort „Solidität“ umschrieben werden könnte. Solide aber heißt hier, dass Szene und Personenführung, Musik und Gesang, Bühne und Kostüme, Licht und Ausdruck in eine so glanzvolle Übereinstimmung gebracht werden, dass sich das menschliche und politische Drama zu einem außerordentlich nahegehenden, theatralischen Opernabend fügen. Alfonso Romero Mora, ein junger, am Haus geförderter Regisseur, hat diese große Arbeit vorgelegt, zu der ihm Dirk Becker eine perfekte Bühne baute: Eckige Säulen, verschiebbar, gliedern die Räume; in den Hintergrund werden Bildelemente oder „nur“ Licht projiziert. Die Protagonisten haben Platz, um ihre Persönlichkeiten zu entwickeln. Ihre kunstvoll schlichten Kostüme im - stilisierten - Hofstil jener Zeit (Rosa García Andújar) scheinen die Figuren zu bestimmen, ihnen ein Korsett der Konventionen anzulegen. Alle tragen das eingestickte Kreuz auf der Brust, man ist der Kirche gefällig, hat Angst vor ihr: Der Großinquisitor weiß um kalte Machtausübung.

Martin Lukas Meister führt das Staatsorchester Darmstadt zu einer aufgeheizten Verdi-Darstellung, voll emotionaler Wucht und illustrativer Dramatik. Dass dabei das Blech gelegentlich knallt, scheint dann irgendwie zwangsläufig, allerdings überflüssig. Gesungen wird zwischen angemessen und hervorragend. Die Elisabeth von Yamina Mamaar lässt keine Wünsche offen, denn ihr jugendlich-dramatischer Sopran singt die Nuancen zwischen Innigkeit und Verzweiflung, Seelenstärke und Enttäuschung mit kontrolliertem Leuchten perfekt aus. Demgegenüber wirkte Zurab Zurabishvili als Don Carlos in den Höhen etwas eng und im Spiel leicht standardisiert. Katrin Gerstenberger gab der Eboli das angemessen intrigante Profil und Dimitry Ivashchenko dem König Philipp selbstquälerische Züge. Sein Bassbariton kommt rund und mit charakterstarkem Timbre. Stimmlich sehr überzeugend Min Kweon Han als Marquis Posa, und differenziert in der Partieführung Thomas Mehnert als Großinquisitor: Auf Treppentürmen befindet er sich in Augenhöhe mit dem König und zwingt ihn dennoch zum dienerischen Handkuss. Die Kirche ist mit Gott im Bunde, da hat der Erdenmensch keine Chance.
Bedrückend das Sujet, doch berückend der Opernabend in Darmstadt.

Eckhard Britsch
 










 
Fotos: Staatstheater Darmstadt