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Fakten zur Aufführung 

ANTIGONAE
(Carl Orff)
3. Dezember 2006 (Premiere)

Staatstheater Darmstadt

Points of Honor                      

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Arachaische Dramatik

Carl Orffs anspruchsvolle Intention, „aus der Musik der Sprache die griechische Tragödie der Gegenwart zurückzugewinnen“, wird mit dem gigantischen Darmstädter Schlagzeugorchester zur hocheindruckvollen Theater-Realität! Stefan Blunier lässt den fast einhundert Schlagwerk- und Percussions-Instrumenten (inkl. vier Flügel!) exaltiert-differenzierte Klänge voll archaischer Urgewalt entwickeln. Dynamik, Intensität der Klänge, vibrierendes Verhalten, tönende Stille vermitteln antike Tragik als Musik der ungebrochenen Emotionen.

Die Bühne von Heinz Balthes greift den Oedipus-Palast auf, diesmal ohne gold-roten Glanz, dafür mit allen Zeichen um sich greifender Zerstörung. Die Kostüme (Jose Manuel Vazquez ) verstärken den zwingenden Eindruck einer desolat gewordenen Polis.

John Dew lässt den starrsinnig auf Staatsräson setzenden Kreon – nur mit Verletzung menschlichster (Liebes-)Bedürfnisse meint er, das krisengeschüttelte Theben zu bewahren – zum mahnenden Zentralakteur der Tragödie werden. Antigonae leidet am Verlust der Humanität, wird Opfer starrer Prinzipien. Orffs Werk wurde 1949 als Flucht des politisch umstrittenen Komponisten in die unverfängliche Antike bzw. als opportunistische Anpassung an die demokratischen Bemühungen der Nachkriegszeit gewertet. Dews kompromissloses Fokussieren auf den Antagonismus von staatlichen Regeln gegen deren humane Grundlagen gibt dem monströsen Werk hochaktuellen Bezug – ohne die Psyche der Protagonisten zu vernachlässigen!

Das stupende Darmstädter Ensemble wird den gesanglichen Anforderungen mit Bravour gerecht: dramatischer Deklamationsstil, affektives Sprechen, ariose Ausbrüche gelingen in emotional bewegender Perfektion. Andreas Daums Kreon beeindruckt in allen Phasen seines brachial-erschütternden Niedergangs. Katrin Gerstenberger gibt der hingebungsvoll-emotionalen Antigonae leidenschaftliche Stimme, bewältigt die exorbitanten technischen Schwierigkeiten mit außergewöhnlicher Kompetenz! Allison Oakes (Ismene), Sven Ehrke (Hämon), Mark Adler (Tiresias) Thomas Mehnert (Bote) und Susanne Serfling (Euridice) geben Porträts antiker Figuren mit höchster darstellerischer und stimmlicher Präsenz. Dazu Werner Volker Meyer (Chorführer) und Markus Durst (Wächter) sowie ein hochmotiviert-perfekter Herrenchor (Leitung: Andre Weiss) faszinieren in der Umsetzung dramatischer und musikalischer Extrem-Anforderungen.

Im fast fertig-restaurierten Darmstädter Theater bleiben einige Plätze frei: warnende Hinweise auf die enorme Konzentrationserfordernisse haben wohl den Enthusiasmus für einen außergewöhnlich ereignisreichen Theaterabend im ersten Erleben überwiegen - doch die außerordentlich animierten Besucher der Antigonae werden für nachfolgende Zuschauer kommunikative Argumente finden. Für avancierte Opern-Freaks wird die Reise nach Darmstadt zur unerlässlichen Pflicht. (frs)

 


Fotos: ©