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Fakten zur Aufführung 

DIE WALKÜRE
(Richard Wagner)
25. Oktober 2008
(Premiere: 5. Oktober 2008)

Staatstheater Cottbus


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Musik als bestimmendes Moment der Aufführung

So nah sieht man Wotan nur selten. Fast hautnah agieren die Sänger in der neuen Walküre am Staatstheater Cottbus auf dem zur Spielfläche überbauten Orchestergraben. Die Musiker sind auf der eigentlichen Bühne offen hinter der Szene platziert.  War es vor einigen Jahren im Erler Ring im Tiroler Passionstheater schlicht der nicht vorhandene Graben, der zu dieser Lösung zwang, ist es in Cottbus neben der Enge für das große Wagner-Orchester im eher schmalen Untergeschoss auch eine bewusste Entscheidung für eine beschränkte, fast kammerspielartige Inszenierung mit dem Schwerpunkt auf den musikalischen Seiten des Geschehens. Insofern ging das Konzept auch auf. 

Unmittelbar wie im Konzertsaal, und nicht etwas verdeckt und gemischt wie sonst aus dem Graben, kommen die Töne direkt beim Zuhörer an. Das ist ein für Oper neues, interessantes Hören, das die Musik zum bestimmenden Moment der Aufführung macht. Dem wird das Philharmonische Orchester unter seinem neuen, noch jungen Generalmusikdirektor Evan Christ mehr als gerecht. Gewonnen hat die Musik schon mit dem stürmisch bewegten Vorspiel zu Siegmunds Flucht in die Hütte Hundings und setzt sich in den vielen Orchesterzwischenstücken fort: das ist Wagner-Klang auf hohem Niveau, farbenreich, mit all den in der Partitur angelegten dynamischen Steigerungen und Ausbrüchen, aber auch zart und fein in den Liebeszenen und bei Wotans Abschied von Brünnhilde,  mit andauerndem Spannungsbogen und den Sängern ein mehr als solides orchestrales Fundament gebend. Diese nutzen denn auch diese für sie günstige Situation, in der sie vor dem Orchester und nicht wie üblicherweise über das Orchester hinweg singen können, mit für Wagner ungewohnter Textdeutlichkeit und Klarheit. Übertitel wie sonst inzwischen üblich, sind hier nicht erforderlich. Jeder Satz, jede Zeile ist verständlich. 

Gesungen wird weitgehend auf ähnlich hohem Stand, wie vom Orchester vorgegeben. Herausragend der Wotan von Karsten Mewes. Sein nicht nur heldischer, sondern glasklarer Bass-Bariton mit staunenswerter Artikulation weiß sowohl in seinen Wutausbrüchen etwa gegenüber Fricka wie in den zarten Passagen des Abschiednehmens von Brünnhilde voll zu überzeugen. Diese, verkörpert von Lisa Livingston, kommt eher vom lyrischen Rollenansatz als vom vollen hochdramatischen Duktus. Im direkten Miteinander der mit fast unbändiger Kraft singenden Sieglinde von Heidi Jütten (deren Mittellage etwas unausgeglichen ist) hat es diese Brünnhilde nicht ganz leicht. Carola Fischer als Fricka wiederum kann mit ihrem vollen runden Alt selbst ihrem rasenden Mann Wotan Paroli bieten. Die Stimme von Jens Klaus Wilde als Siegmund erblüht und schwelgt im Liebesglück und hat noch genügend Reserven für kraftvolle Wälse-Rufe. Als Hunding ist Tilmann Rönnebeck mit mächtigem Bass rollengerecht besetzt. Die Walküren-Schar ist ein homogenes, stimmlich zueinander passendes Ensemble. 

So überzeugend Orchester und Sänger, so zwiespältig die szenische Seite dieser Inszenierung von Operndirektor und Intendant Martin Schüler. Die durchaus präzise und in manchen Details überraschend stimmige Personenführung - wenn sich etwa Siegmund aus Freude über das neugewonnene Schwert Nothung gar nicht mehr einkriegt und es wie einen Fetisch minutenlang herumschwenkt oder Wotan in seiner Wut über das Aufbegehren Brünnhildes ihr Helm und Brünne vom Körper reißt oder sie Wotan seine machohafte Sonnenbrille abnimmt und dann seine vor Abschiedsschmerz tränenden Augen sichtbar werden - leidet insgesamt doch sehr an der begrenzten Spielmöglichkeit dieser eher halbszenischen Aufführung. Die Bühne ist eben nur eine schmales Band im Vordergrund, nach hinten ist alles offen, dort sitzt das Orchester. Ein richtiges Bühnenbild ist nicht möglich, es wird eher mit einigen Requisiten angedeutet als geschaffen. Der Haupteinwand allerdings ist die fehlende oder durch das sichtbare Orchester immer wieder gestörte Illusion.  Man möchte ja den mit Verve dirigierenden Pultchef gar nicht sehen, sonst ist er auch fast völlig im Graben verdeckt, der hier, hinter der Szene wild mit seinen Armen fuchtelnd, schlicht stört. Das Bühnen-Theater wird immer wieder durch die Realität des arbeitenden Orchesters zunichte gemacht. Und wenn dann die Szene noch abgedunkelt wird,  leuchten im Hintergrund die für die Musiker an den Pulten erforderlichem Lampen wie illuminierte Weihnachtsbäume. (In Erl hatte man das Orchester durch halbdurchsichtige Schleier-Vorhänge verdeckt). 

Das Publikum in der gut besuchten zweiten Vorstellung spendete kräftigen, mit Bravos unterlegten Beifall. Eine Besucherin gab zum Schluss fast eine eigene Vorstellung. Erst verteilte sie an jeden der Haupt-Solisten einschließlich Dirigenten Blumen, dann erhielt auch noch jede der Walküren, immer weiter gereicht von der ersten bis zur achten, ihren Blumengruß.   

Axel Göritz
 










Fotos: Marlies Kross