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Fakten zur Aufführung 

SALOME
(Richard Strauss) 
22. Oktober 2008
(Premiere 13. Juni 2008)

Staatstheater Cottbus


Points of Honor                      

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Intensives Kammerspiel

Kleines Haus - ganz groß. Mit der Salome hat das Staatstheater Cottbus erneut bewiesen, dass es zu Recht seinen Grund hat, wenn Berliner Opernfreunde gelegentlich in der noch einzigen Musikbühne Brandenburgs fremdgehen, um sich von mancher nur routiniert abgespielten Repertoire-Vorstellung in der Hauptstadt zu erholen und musikalisch aufzutanken. Die Inszenierung von Intendant und Operndirektor Martin Schüler zeigt sich als äußerst intensives, enervierendes Kammerspiel in selten erlebter, immer wieder ergreifender Personenführung, fernab jeglicher aufgesetzten regie-theaterhaften Zutaten. Und die Regie schreckt nicht davor zurück, der eigentlich abstoßend verstörenden Salome, mit ihrem Wunsch nach dem Kopf des Jochanaan, auch noch zärtliche, fast mitleidsvolle Züge zuzugestehen. Wenn diese Salome zum Schluss den abgeschlagenen Kopf des Propheten nicht nur küsst, sondern mit ihm wie mit einem Teddy knuddelt, ihn an sich drückt, in ihrem Schoß streichelt und herzt, dann wird die perverse, abgrundtiefe Kränkung durch die Abweisung Jochanaans in ihrer absurden und tragischen Verstrickung überaus sinnfällig und der krankhafte Wahn und Trotz dieser verstörten Prinzessin glaubhaft.

Die in bläuliches Licht getauchte Bühne (Hans-Dieter Schaal) verzichtet auf jegliches orientalisch anmutende Ambiente und unterstreicht mit ihrer schlichten schrägen Ebene, den beiden Seitenwänden und einem rückwärtigen sich bedrohlich nähernden Mond die Konzentration auf Interaktionen der Protagonisten. Wenn sich der Tetrarch Herodes über die sich ereifernden Juden sichtlich amüsiert und belustigt oder aus dem Schleiertanz der Salome vor ihrem Stiefvater ein Paar-Tanz wird und Herodes lüstern um sie herum schwingt, wird auch an solchen Details die sorgfältige und stimmige Umsetzung dieses exzessiven Musikdramas deutlich. 

Dafür steht dem Regisseur allerdings auch ein Ensemble an Sänger-Darstellern zur Verfügung, die genau dies können, was man mitunter an den großen Häusern schmerzlich vermisst, nämlich nicht nur schön zu singen, sondern auch beweglich und überzeugend zu spielen. Und die Salome von Gesine Forberger beherrscht diese Kunst, das nahtlose Ineinander-Übergehen von Gesang und Spiel perfekt. Wenn sie mit Schmollmund und naivem Augenaufschlag im Négligé das junge, pubertäre Prinzessinnen-Mädchen gibt, nimmt man ihr das genauso ab, wie den lasziven Schleiertanz bis fast zur Nacktheit - das ist glaubhaft, wirkt nie peinlich. Und wenn sie in ihrem Furor und ihrer Raserei über die Bühne fegt, keift, beißt und um sich schlägt, und die Wachen vor dieser Energieballung nur noch flüchten können, dann ist das Theater in seiner intensiven, besten Form. Wozu hier noch die adäquate Stimme kommt, genauso variabel, dynamisch und ausdrucksvoll wie ihr Spiel. Ihr Sopran kann ebenso im Piano sanft schmeicheln, wie noch mit voller Durchschlagskraft mit dem großen Strauss-Orchester mithalten. Glücklich das Haus, das über solche Mitglieder verfügt, die ihrer Bühne über Jahre die Treue halten. So ist auch mit das Bemerkenswerteste dieser Produktion das insgesamt sehr hohe Ensemble-Niveau. Dies gilt für den eher lyrisch tiefen Tenor von Matthias Bleidorn als Herodes genauso wie für den recht kräftigen Tenor von Jens Klaus Wilde als Narraboth und den Pagen von Heidi Jütten. Stimmlich genauso stark, aber in der Darstellung etwas schwächer die Herodias von Carola Fischer. Einziger Gast in diesem überzeugenden Ensemble der Heldenbariton von Ulf Paulsen als Prophet Jochanaan. Wenn er mit seiner wuchtigen, harten Stimme das neue Zeitalter verkündet, erbebt fast das gerade hundertjährige, in neuem Glanz erstrahlende Jugendstil-Haus. 

Am Dirigentenpult waltete mit Umsicht und Engagement der neue Cottbuser Generalmusikdirektor Evan Christ, der mit dem Philharmonischen Orchester die Strauss'schen Eruptionen, das Fiebrige und Schwirrende der Partitur ebenso wie die Nuancen der Klangfarben herausarbeitete. 

Das Publikum in der gutbesuchten dritten Vorstellung zeigte sich durchaus von der Aufführung angetan, bedachte die Protagonisten auch mit Bravorufen, blieb aber mit seinem Beifall nach des Rezensenten-Geschmack doch etwas verhalten, angesichts dieser rundum hervorragenden Leistungen. An anderen Häusern wird für weniger häufig mehr geklatscht. 

xel Göritz

 








Fotos: Marlies Kross