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Fakten zur Aufführung 

DON CARLOS
(Giuseppe Verdi)
20. Juli 2006 (Premiere)

10. Opernfestival
Gut Immlimg/Chiemgau

Points of Honor                      

Musik

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Regie

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Düstere Perspektiven – hochsommerlich chic

Der „normale“ Report: In einer geräumigen Hallespielt auf ungemein breiter Bühne ein vieraktiger Don Carlos, fokussiert auf das düstere Erbe Karls des V. Wechselnde Handlungsebenen, durch gezieltes Licht zentrierte Figuren vermitteln eine intensive Atmosphäre, verdeutlichen ein überzeugend-skeptisches Regiekonzept mit Karl dem V. als durchgängiger Figur. Gesungen wird auf beachtlichem Niveau, das Orchester lässt die dramatischen Feinheiten der Verdi-Partitur vermissen. Das aufmerksame Publikum feiert die Protagonisten.

Doch was spielt sich auf Gut Immling tatsächlich ab? Zunächst beginnt der Opernabend in der Chiemgauer Hügellandschaft mit dem Auto-Abstellen auf durchwachsener Wiese; setzt sich fort mit dem Warten auf den Shuttle-Bus zum Ort der Handlung. Dann die beeindruckende Szenerie vielfältigster Logistik-Stationen: Restaurant, Grill-Abteilung, Buden mit Getränken, eine Landschaft von Sonnenschirmen. Anschließend Einzug in den eigentlichen Ort der Handlung: eine Reithalle in oberbayerischer Holzkonstruktion – draußen auch um 20 Uhr um die 30 Grad, drinnen gefühlt einige Grad mehr. Dazu opulente Ledersessel, weit entfernt von spartanischen Sitzgelegenheiten à la Bayreuth oder Erl; kein Luftzug sorgt für Erfrischung. Aber das Publikum: ein betörender Anblick wie das Treffen der Reichen und Schönen, wie wir sie aus Kir-Royal kennen; es trifft sich die Münchner Schickeria (oder die Kö-Tussis mit bajuwarischem Akzent) und durchlebt die Opernstunden wie ein Event mit leicht masochistischem Charakter. Aber: atmosphärisch stimmt die Resonanz auf das Bühnengeschehen; Oper wird nicht zur Nebensache.

Diese besondere Situation ist vom Festival-Gründer Ludwig Baumann offensichtlich erfolgreich kreiert, von der Regisseurin Verena von Kersenbrock in ihren Möglichkeiten aufgegriffen und von Gilles Gubelmann mit einer spektakulären Bühnenkonstruktion optisch umgesetzt.

Ivan Anguélov lässt mit dem unfertigen Philharmonischen Staatsorchester Baku (Aserbaidschan) einen brachial-knalligen Verdi hören, die Intonation stimmt nicht, die Instrumente lassen jegliche Eleganz vermissen und die diffizile Dramatik bleibt gnadenlos auf der Strecke.

Der Carlos Mario Zhangs besticht durch leidenschaftliche Töne höchster Intensität; Abdumalik A. Abdukayumov ist als Rodrigo mit seinem profunden Bariton eine wahre Entdeckung – mit mehr Phrasierungskunst eine große Hoffnung! Hélène Bernardy verleiht der Elisabeth emotionale Dimensionen und Daiva Gedvilaité ist eine kapriziös-erotische Eboli mit Mezzo-Tiefgang. Nam Soo Kims Philipp, die wichtigen Rollen verbreiten gekonnten Verdi-Gesang. Und der Festival-Chor Gut Immling ist stimmlich gut beinand, in der Aktion aber hölzern-unbeholfen; so wird die Autodafé-Szene zum gutgemeinten Chaos ohne wirkliche Brutalität.

Alles in allem: Nach der beifällig aufgenommenen „Zauberflöte“ ist in exzeptionellem Ambiente ein „Don Carlos“ zu erleben, der als Gesamt von Landschaft, Architektur, Sommervergnügen und Freizeit-Event seinen spezifischen Charakter entfaltet. Gut Immling lebt die Zukunft der akzeptablen „Opern-Party“. (frs)


Fotos: © Richard Menzel