Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

DIE ROSE VOM LIEBESGARTEN
(Hans Pfitzner)
29. November 2008 (Premiere)

Theater Chemnitz


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Zauberischer Klang

Das Personal besteht aus Schatten und Schättin, Elfen und Zwölfen, Mutanten und Grauweltlern, einem Winter- und Frühlingswächter, einem zusammengewachsenen Doppelmeister, einer Zwittergöttin, Paradieslingen, einem Nachtwunderer und den beiden Hauptfiguren Siegnot und Minneleide, die im Paradies- und Liebesgarten, in der Grenz- und Unterwelt ihre Kämpfe zu bestehen haben. Eine verhüllte Heilige Kiste spielt dabei ebenso eine zentrale Rolle wie die Titel gebende Rose, die dem Helden Siegnot aus der Brust entwächst. Doch Elfenkönigin Minneleide verschmäht zunächst die magische Blume, wird trotz aufopfernden Kampfes von Siegnot an ihrer Seite in die Unterwelt entführt. Siegnot lässt nicht ab, folgt ihr in das Höhlenreich, wo sie gequält und geschunden wird. Im erneuten Kampf-Getümmel fällt der Held. Minneleide, inzwischen geläutert, schafft es wieder in die Oberwelt, gewinnt in der Trauer um den Verstorbenen neue Kraft, gelangt bis zum paradiesischen Liebesgarten, kann den grausamen Wächter besiegen, doch dieser reißt sie mit in den Tod.

Hans Pfitzners Die Rose vom Liebesgarten ist in ihrer verwunderlichen, ja kruden Geschichte nur aus ihrer Entstehungszeit - Uraufführung 1901 - zu verstehen, in der die Verarbeitung derartiger Märchen- und Sagenstoffe regelrecht en vogue war. Doch der wegen seiner späteren NS-Nähe nicht unumstrittene Komponist wollte mit seiner zweiten Oper doch wohl zu viel auf einmal. Wofür Richard Wagner mit seinem Ring des Nibelungen vier Abende benötigte, versucht Pfitzner in dreieinhalb Stunden zu schaffen: in einem verwirrenden Kosmos aus verschiedensten Märchenelementen eine einigermaßen stringente Handlung zu erzählen. Und Wagner wabert denn auch durch fast jeden Takt des spätromantischen Werks mit seiner Natursymbolik. Wenn Pfitzners Siegnot das Schwert ergreift, klingt es wie eine Parodie auf Wagners Walküren Siegmund, andere Stellen erinnern an Siegfrieds Rheinfahrt oder Hagens Mannen-Chor; Minneleides ergreifender und erschütternder Abschiedsgesang lässt unwillkürlich an Brünnhildens Ende denken. Der zauberische Klang, die romantischen Gefühle oder die dramatisch zwingenden Ausbrüche sind gekonnt eingesetzt - doch Pfitzner war mit seinen 32 Jahren vielleicht doch noch zu sehr im Banne seines großen Vorbildes, ihm zu sehr verhaftet.

Die Oper Chemnitz hat sich in ihrer Reihe der Ausgrabungen selten gespielter Werke dennoch an die Rose vom Liebesgarten gewagt - für Gustav Mahler das großartigste Werk seit der Walküre - und mit der Inszenierung von Jürgen R. Weber ein zumindest sehr unterhaltsames, ja spannendes Stück Musiktheater auf die Bühne gebracht. Seine Regie verzichtet zu Recht auf jegliche ideologische Auseinandersetzung, sondern setzt ganz auf den märchenhaften Stoff, der in ein buntes, bisweilen fast überbordendes Fantasy-Spektakel mündet. Die Geschichte wird zwar durchaus ernst genommen und nicht persifliert, aber doch mit viel Spaß und Augenzwinkern inszeniert. Für den Kern dieses überzeugenden Ansatzes (Weber ist auch sein eigener Bühnenbildner) mag stellvertretend die riesige Kloschüssel stehen, die bühnenbeherrschend den Durchschlupf in die Unterwelt symbolisiert und in der ganz realistisch Siegnot und Minneleide in die Tiefe entschwinden. Die köstlich aufgedonnerten Kostüme mit bizarrem Kopfschmuck (Sven Bindseil) - der Chor in einer Art Lederhosen-Outfit, Minneleide im weiß glitzernden Showfummel mit Sonnenbrille oder Federboa - passen wunderschön in diese Fantasy-Welt. Statt Übertiteln wird auf seitlichen Vorhängen der sonst kaum nachzuvollziehende Handlungsfortgang erzählt und zugleich mit angehängten ironischen Kommentaren aufgebrochen.

Gesungen und getanzt (Felipe Rocha und Ramona Capraro als Schatten und Schättin) wird auf hohem Niveau. Mit Erin Caves als Siegnot steht ein veritabler Heldentenor zur Verfügung, der nicht nur die kraftvollen Ausbrüche beherrscht, sondern auch den gebrochenen Helden glaubhaft zu verkörpern weiß. Auf gleicher Höhe agiert Astrid Weber mit ihrem dramatischen Sopran als zunächst überhebliche, wie später total verzweifelte, erschütterte Minneleide. Kouta Räsänen als Waffenmeister und Nachtwunderer, Andreas Kindschuh als Sangesmeister oder André Riemer als Moormann fügen sich ebenso stimmig in die Inszenierung wie Jana Büchner und Tiina Penttinen als Schwarzhilde und Rotelse. Der Chor hat eindrucksvolle, stimmgewaltige Auftritte. Die Robert-Schumann-Philharmonie unter Leitung von Domonkos Héja lässt den spätromantischen Klangzauber erblühen, ohne im bloß schwülstigen Klangrausch zu baden.

Das Publikum verfolgt die Premiere im vollen Haus mit gespannter Aufmerksamkeit und diskutiert in der Pause vor allem über die Sinnhaftigkeit der daumenlutschenden Minneleide-Assistentinnen. Der ungeteilte, anerkennende Bravo-Beifall gilt den Sängern und Darstellern genauso wie den Musikern im Graben und dem Regieteam.

Axel Göritz
 










Fotos: Dieter Wuschanski