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Fakten zur Aufführung 

DER SCHMIED VON GENT
(Franz Schreker)
30. Januar 2010 (Premiere)

Theater Chemnitz


Points of Honor                      

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Polit-Märchen

Franz Schreker ist – von Ausnahmen abgesehen – der große, von der Nazi-Diktatur zerstörte Musiktheater-Genius des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts, in der Nachkriegszeit vergessen, ein Opfer der Kontroverse zwischen ideologisch verhärteten Fronten zwischen „Neutönern“ und „Traditionalisten“. Vor allem im damaligen Bielefelder „Opernwunder“ mit der Präsentation von Opern der Zwanziger Jahre von Wellesz, Rathaus, Krenek und eben auch Schreker begann die Rehabilitation der zu Unrecht vergessenen und verdrängten Opern einer offenbar immer noch nicht akzeptierten Epoche intensiven Musiktheaters.

Nun greift die innovativ profilierte Chemnitzer Oper ein Spätwerk des musikalisch variantenreichen und politisch von den Nazis verfolgten Komponisten von 1930 auf: Nach de Costers Roman geht es um ein märchenhaft-subversives Geschehen in der Atmosphäre des Freiheitskampfes der Flamen gegen die Spanier.

Die Regie irrt deutungssuchend zwischen den möglichen Ansätzen hin und her: einem biographischen Schreker-Impetus, einem Historien-Drama, einer Posse, einem Mysterienspiel, einem Sozio-Drama, einem Märchenspiel. Das irritiert – und lässt alle Optionen offen.

Siegfried E. Mayer baut einen bühnenbeherrschenden Flügel mit portalfüllender Tastatur als vibrierendes Symbol in die Szene – lässt Schrekers Zwangs-Situation mit der Situation des Filous Smee zusamenfallen.

Ansgar Weigner erzählt das Märchen des lebenslustig-trickreichen Schmieds Smee als Überlister der Teufel und dem verwehrten Eingang zum Himmel im Zusammenhang mit dem traumatischen Schicksal Schrekers, identifiziert das Märchen mit der zeithistorischen Dimension. Smee wird zur glorifizierten Figur – archaisch-mythisch, aber zugleich zeithistorisch relevant. Das gelingt in der subtilen Personenführung, zerstört aber den Mythos des sich selbst erklärenden „Märchens“ .

Schrekers Musik beschreibt die Möglichkeiten der faszinierenden Opern-Komposition der Zwanziger Jahre: spätromantisch-zitierend, melodisch gebrochen, rhythmisch bestimmt, instrumental variabel, motivisch orientiert, auf atonale Techniken verweisend, Orchester-Instrumente präzisierend, fulminante Singstimmen provozierend und dies alles zu grandiosen Klängen in bravourösen Crescendi zusammenführend: der Robert-Schumann-Philharmonie mit ihren exzellenten Musikern gelingt unter dem aufmerksamen Dirigat von Frank Beermann ein Feuerwerk musikalischer Variabilität – konzentriert im Ausdruck, nachhaltig in der Ambivalenz der vermittelten Emotionen.

Oliver Zwarg ist ein traumhaft „richtig“ agierender Smee – stimmlich präsent, sicher in der profunden Intonation, variabel in der Interpretation. Undine Dreißig als liebevolle Frau gewinnt vor allem in den empathischen Passagen Kontur, überzeugt durch nachhaltig-flexible Phrasierung. André Riemer überzeugt als Smees Geselle Flipke mit flexibler Stimme, Edward Randall gibt dem Kontrahenten Slimbroek stimmlich konturierte Statur - und die vielen interpretationsreichen Rollen sind in Chemnitz kompetent besetzt: exemplarisch Judith Kuhn als stimmlich variabel-ausdrucksstarke verführende Astarte!

Das Chemnitzer Publikum beweist sein wachsendes Interesse an dem märchenhafte Geschehen mit seinen politisierenden Deutungen auch durch informativen kommunikativen Austausch – das entspricht zwar nicht der gängigen Opern-Konvention: aber wenn’s denn der emotionalen Zustimmung dient?

Franz R. Stuke

 






 
Fotos: Dieter Wuschanski