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Überflüssig
Überflüssig war sie, die aristokratische Elite des Zarenreichs - gesellschaftlich,
intellektuell, emotional. Und so wird sie von Arila Siegert auf die Bühne
gestellt: hysterisch, affektiert, Stilisierung ihrer selbst, mit dem hoffnungslosen
Ende des Dandys Onegin. Das ist historisch o.k. und allgemein bekannt
- aber warum wird uns diese Geschichte erzählt? Weil es dieses Milieu
unter geänderten ökonomischen Bedingungen immer noch (schon wieder) gibt
- allerdings ohne Hoffnung auf dessen Ende?
Hans-Dieter Schaal installiert dekadent-zweckfreies Groß-Design, eine
unbehauste Scheinwelt mit Personen, die in konventionellen Kostümen (Marie-Luise
Strandt) um sich selbst kreisen.
Dazu erweckt die Chemnitzer Robert-Schumann-Philharmonie unter Niksa Bareza
überraschenderweise einen außergewöhnlich facettenreichen Tschaikowsky,
so als ob es sich um ein perfektes Konzert handelt.
Mit Matthias Winter ist ein eher unbeweglicher Onegin zu sehen und zu
hören; Edward Randalls Lenski spielt eine spaßorientierte Leidenschaft
zwar mit Verve, aber ohne sonderliche Ausstrahlung, der Gremin Thomas
Mäthgers bleibt verhalten, ohne sentimentale Kraft. Mit Nicola Beller
Carbone ist eine aparte Tatjana zu bestaunen, durchaus der einzige Charakter
im Panoptikum der morbiden Schickeria, stimmlich etwas zu dramatisch,
mit (noch) zu wenig Wäre im wunderbar strömenden Sopran.
Das Chemnitzer Premierenpublikum "erwartet sich ein Fest": es scheint
das Establishment versammelt; man folgt eher distanziert, der Applaus
plätschert zunächst, steigert sich aber am Schluss zur herzlichen Zustimmung.
Dass hier möglicherweise der sinnentleerten Gesellschaft der Schönen und
Reichen ein Spiegel vorgehalten wird, ist in Pausengesprächen und anschließendem
Umtrunk nicht zuhören. (frs) |
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