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Fakten zur Aufführung 

LA BOHÈME
(Giacomo Puccini)
12. Oktober 2000 (Serata Inaugurale)

Teatro Grande Brescia (Koproduktion der Opern in Brescia, Bergamo, Cremona, Como, Pavia)

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(ÜBER-)LEBENSWILLEN

Nichts war's mit nostalgischer Opernsentimentalität: in Zusammenarbeit mit der innovativen Associazone Lirica e Concertistica Italiana eröffnete das Teatro Grande in Brescia seine Stagione 2000 mit einer für italienische Opern-Verhältnisse revolutionären Bohème. Da inszeniert Francesco Micheli eine Mimi, die mit unbändigem Lebenswillen aus ihren unbefriedigenden Lebensbedingungen heraus will, am Ende mit Glamour gegen die tödliche Krankheit angeht, am Ende scheitert. Auf alle Fälle: Sie hat die Gammelexistenzen aufgemischt und vielleicht Wirkung erzielt. Micheli setzt dieses zeitgemäße Verständnis mit vielen Regie-Einfällen im Detail theaterwirksam um, ist bemüht, das junge Ensemble in darstellerische Bewegung zu bringen.
Dabei hilft die routiniert-reduziert Bühne - schräge quadratische Fläche mit herausragender Rampe als wesentlichem Spielort - des erfahrenen Antonio Mastromattei, der vor allem mit dem Schlussbild optisch brilliert. Mimi als heller Fleck im bühnenweiten Blumenfeld.
Das Orchester - I Pomeriggi Musicale aus Mailand - unter Giampaolo Bisanti, wirkte bemüht, fand aber nicht zu einem adäquaten neuen Puccini-Klang, übertönte häufig den Gesang. Gesang: Aus dem jungen Ensemble mit Bühnenerfolgen bleibt Loredana Arcuri im Gedächtnis; klarer lyrischer Sopran mit Kraft und Möglichkeiten zur emotionalen Interpretation. Saverio Fiore konnte das schwierige Gleichgewicht von Bühnendarstellung und perfektem Gesang noch nicht erreichen, stimmlich blieb er blass. Wie das Ensemble überhaupt durch glänzendes Spiel gefiel, was allerdings zu Lasten der sängerischen Brillanz ging. Auf dem Weg zu einem neuen italienischen Sängertyp ist da noch viel Arbeit zu leisten - aber der Anfang ist gemacht!
Der Serate Inaugurale ist als Beginn der jährlichen Opernsaison (bis Weihnachten zwölf Opern- und Ballettaufführungen von fünf verschiedenen Werken) gesellschaftlicher Höhepunkt der lombardischen Stadt: ein Riesenaufgebot von Carabinieri und Polizia - auch beritten - bereitet den Empfang der Kommunen und Provinzherrlichkeiten vor, der Plebs erreicht die Galerie im opulenten Fünf-Ränge-Haus über eine Art heruntergekommenen Luftschacht; die herausgeputzte "Prominenz" nebst aufgebrezelter Begleitung ist Mittelpunkt des Interesses, die Namen der Sänger sind dem Personal unbekannt. Während der Aufführung wird palavert, man geht auch schon mal zur Toilette, packt blasiert Süßigkeiten aus: nix italienische Begeisterung, eher eine Spielart kulturellen Banausentums. Tragisches Ambiente für Opernfans, die mit leuchtenden Augen den Sängern folgen und Puccinis Musik mit heißem Herzen erwarten. (frs)