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Fakten zur Aufführung 

KAROL ROGER
(Karol Szymanowski)
31. März 2007 (Premiere)

Oper Breslau

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Der Weg zum Selbst

Anlässlich des 70. Todestages des bedeutenden polnischen Komponisten Karol Szymanowski hat sich die wunderbar neu renovierte Breslauer Oper an eine Neuinszenierung seines Werkes „Karol Roger“ (König Roger) gewagt (Uraufführung 1926 in Warschau). Der Komponist selbst bezeichnete es als philosophische Oper. Formal liegt es zwischen Oper, Oratorium und Mysterienspiel. Es gibt keine Opernarien im herkömmlichen Sinne, auch keine durchgehende Handlung üblicher Art. Die poetische Dichtung des Librettos, das er gemeinsam mit Jaroslaw Iwaskiewicz erstellte, kreist um philosophische Probleme. Szymanowski wollte mit seiner Musik ausdrücken: Wenn der Mensch alles verliert, ihm alles zerstört wird, gibt es Raum für einen totalen Neuanfang. Es gibt Hoffnung, auch wenn niemand weiß, wie die Zukunft aussehen wird.

Dem auch international tätigen renommierten Regisseur Mariusz Trelinski, bis September 2006 künstlerischer Leiter der Oper in Warschau, gelang nun an der Oper Breslau eine einzigartige Inszenierung von König Roger. Es ist nach 2000 bereits seine zweite Arbeit mit diesem Stück, das er nun ganz anders umsetzte als beim ersten Mal. Wunderbar stimmig gestaltete er die Bilder um die Musik Szymanowskis, die in einer Reihe mit Richard Strauss und Wagner zu sehen ist. Handwerklich perfekt, sparsam und hoch effektiv in der Benutzung von Regiemitteln wie etwa Videoprojektionen (Trelinski: „Es fiel mir als gelerntem Filmregisseur schwer, mich nicht in filmischen Bilderfluten zu verlieren“) erreichte er tiefgründige Wirkung und Übermittlung der Botschaften des Stoffes, wie er sie verstand.

Das Stück um König Roger (hier souverän und stimmgewaltig verkörpert von dem polnischen Bariton Andrzej Dobber), dessen Persönlichkeit von einem Hirten (Pavlo Tolstoy, stimmlich und darstellerisch großartig) zerstört wird, lässt viel Spielraum für Interpretation, nicht zuletzt durch Besonderheiten der Partitur wie etwa Fermaten für leere Takte. Trelinski interessierte sich hier für den Aspekt: Es gibt auf der Welt auch Menschen, die anders sind, die außerhalb der Gesellschaft stehen: Verführte aller Art, Heimat- und Gottlose, Menschen, die keine Moral haben. Szymanowski legt in seiner Oper nahe, dass weder Heilsbringer jeglicher Couleur noch grenzenlose, auch geschlechtlich ungebundene Freiheit den Menschen in seiner Persönlichkeitsfindung fördern. Nur der totale innere und äußere Zusammenbruch ermöglicht es, zum eigenen Selbst, zur eigenen Persönlichkeit zu finden.

Die Oper beginnt mit gregorianischen und altchristlichen Klängen, gerät dann recht bald in Dissonanzen. Viele Sekunden, Septimen, Modales liefert die Farben für die Musik, die sehr kontemplativ ist, nie die Distanz verliert. Der Schlussakkord besteht aus einem reinen C-Dur-Akkord, der die Hoffnung auf eine wie auch immer geartete Zukunft aufzeigt. Die Dirigentin Ewa Michnik, gleichzeitig Intendantin der Breslauer Oper, führte den gewaltigen Orchesterapparat wagnerischen Ausmaßes, der auch ein Klavier als richtiges Orchesterinstrument neu einbezieht, kompetent durch die Partitur, vergaß nicht die Sänger. Am Premierenabend wurden die Aufnahmen für eine DVD-Produktion gemacht, die demnächst erscheinen wird. Das Publikum dankte für diesen herausragenden Opernabend mit minutenlangem Applaus.

Weitere Aufführungen von „König Roger“ folgen in diesem Jahr und auch 2008. Die Breslauer Oper kann aufgrund finanzieller Engpässe noch nicht täglich bespielt werden. Weitere Spielstätten sind die Jahrhunderthalle (Hala Ludowa) und die benachbarte Wasserbühne, die in diesem Jahr eröffnet wird. Breslau hat das Ziel, eines Tages in einem Atemzug mit Verona und anderen bekannten Opernorten genannt zu werden. Die Stadt ist auf dem besten Wege dahin. Es gibt jetzt auch Studiosus-Reisen nach Breslau, verbunden mit einer Opernaufführung. (gh)