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Fakten zur Aufführung 

SALOME
(Richard Strauss)
4. Oktober 2008
(Premiere: 14. September 2008)

Theater Bremen


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Tandaradei

Der österreichische Tausendsassa Christian Ludwig Attersee (der Name nach seinem Lieblings-Ferienort) gilt in der klischee-fabrizierenden Kunst-Szene als „Meister der Erotik“ – wohl weil er in seine Acrylbilder immer wieder Nackte einbaut. Und weil er sich – nach eigenen Aussagen – immer wieder im malenden Trance-Zustand von klassischer Musik inspirieren lässt, ist er nach Intuition des neuen Bremer Intendanten der ideale Ausstatter für die Salome.

Heraus kommt ein gestuftes Tor in gezackter Fantasy-Manier mit einem Gitter in den Jochanaan-Keller – dieser erschütternd phantasielose Ort wird geschmückt durch ab und an herabschwebende Attersee-Kolorierungen mit diffusen Farben und offenbar erotisch wirken sollenden verfremdeten Brüsten und versteckten sexuellen Symbolen. Von dramatischem Furor keine Spur.

Susanne Kristin Gauchel will Salome zeigen als „Revolutionärin, als Prophetin, als Märtyrerin“. Und das setzt sie als Bühnenhandeln um in ein putziges Gewusel mit einem erdteil-bemalten Bällchens als Kopf des Jochanaan, lässt die kontrastierenden Figuren marionettenhaft surril agieren und präsentiert ein bedeutungsloses Tandaradei.

Nun lässt sich relativ locker über ein verranntes, offenbar nicht zu Ende reflektiertes Inszenierungs-Konzept und eine bizarr-bedeutungsleere Bühne der Mantel des „So What“ breiten. Doch in Bremen geschieht etwas anderes: Dilettantische Regie und egomanisch-fade Bühnenbebilderung werden offenbar bewusst umgesetzt in unangemessenen Strauss-Gesang und eine operettenhafte Musik!

Markus Poschner ist der neue Bremer GMD. Ihm gelingt das bislang nie gehörte Kunststück, die 1905 als skandalös empfundene eruptive Strauss-Musik derart zu sedieren, dass auch kein Funke erotischer Leidenschaftlichkeit übrig bleibt – lähmende Tempi, einschläfernde Dynamik, ein geradezu provozierender Wille zum pseudo-harmonischen Gleichklang vermittelt kaum erträgliche Langeweile. Und es gibt nach meiner Kenntnis keinerlei Hinweise in der Strauss-Forschung, die ein solch blutleeres Abfiedeln rechtfertigen könnten.

Den Sängern ist offensichtlich aufgetragen, ihre Stimmen entsprechend zu reduzieren. Patrick Jones als Herodes singt eigentlich gar nicht, sondern verbleibt im grummelnden Sprechgesang; Fredrika Brillembourg hat keine Chance, der Herodias dramatische Töne zu vermitteln; und Kelly Cae Hogan als Salome kann sicherlich mehr, als dieser Ikone der kompromisslosen Erotik soubrettenhaften Klang zu verleihen. Juan Orozco wird als Jochanaan amplifiziert, Jared Rogers hat keine Chance, den Narraboth in seiner Zerrissenheit zu artikulieren – und alle anderen Ensemble-Mitglieder sind offenbar stimmlich „ruhig gestellt“.

Im Bremer Theater gibt es ungestörten Beifall, aber versteckt-eindeutige Kommentare des Missfallens. (frs)
 




Fotos: Theater Bremen