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Fakten zur Aufführung 

RIENZI
(Richard Wagner)
13. Oktober 2008
(Premiere: 11. Oktober 2008)

Theater am Goetheplatz Bremen


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Wagner postmodern

Es sind drei Eindrücke, die haften bleiben:

- Wagners selten gespieltes Frühwerk (1842) spiegelt den revolutionären Geist der Zeit, lebt von der Opulenz der Grand Opera, leidet aber an einem erbärmlich konstruierten und sprachlich desaströsen Libretto.

- Die Bremer Philharmoniker enttäuschen als Opern-Orchester ohne Leidenschaft und Temperament, verpassen die Chance, ihre zweifellos vorhandene Kompetenz mit dieser eruptiven Wagner-Vorgabe hoch engagiert zu präsentieren.

- Katharina Wagner wird als autochthone Opern-Existenz mit den unfassbar vielfältigen Eindrücken ihrer erlebten Erfahrungen offenbar nicht fertig, entwickelt kein eigenes, innovatives Inszenierungs- und Regie-Konzept.

Mark Duffin ist als Volkstribun ein hingebungsvoller Kämpfer für die Freiheit der Plebejer, für das Selbstbewusstsein Roms – aber auch ein Usurpator und Desperado, und eine Ikone selbstverschuldeten Untergangs; sein aggressiv-ausdrucksvariabler Heldentenor beeindruckt mit strahlenden Höhen und differenzierten Phrasierungen. Patricia Andress gibt seiner Schwester Irene souverän-flexible Sopran-Emotionalität, singt mit geradezu betörendem Timbre und gibt der Rolle stimmliche Statur. Tamara Klivadenkos Spiel-Intelligenz gibt dem gespaltenen Adriano nachvollziehbaren Charakter und wird mit ihrem phantastisch wandlungsfähigen Mezzo zum stimmlichen Zentrum des kontroversen Geschehens. Mit einem zuverlässig kompetenten Sänger-Ensemble – Pavel Kudinov als kraftvoll-gebrochener Colonna, Loren Lang als eher zurückhaltender Orsini, Ethan Herschenfeld als gravitätisch artikulierender Kardinal sowie die rollentypisch versiert intonierenden Christian-Andreas Engelhardt, Alberto Albarran und Nadja Stefanoff – wird die Aufführung zu einem hinreißenden Sänger-Fest! Und dann die wahrhaft brausenden Chöre – Theaterchor und Extrachor sowie das Alsfelder Vokalensemble Bremen unter Leitung von Tarmo Vaask – sie sind Garant für musikalische Offensive, sind spielfreudig und lassen sich unbedingt auf „großes“ Singen ein!

Dagegen wirken die Bremer Philharmoniker unter dem Bayreuth-erfahrenen Christoph Ulrich Meier matt im Klang, wenig inspiriert im Zusammenspiel, ohne individuelle Highlights – und vor allem ohne adäquate Emotionalität, ohne Realisierung der von Wagner initiierten grenzenlosen Klangmittel; was bleibt, ist eine zuverlässig-dezidierte Begleitung der Sänger.

Tilo Steffens baut eine weiße bühnenfüllende Treppe mit einer martialischen Roma-Figur (die in einer langatmigen Umbau-Pause in ein Gerüst versetzt wird), schafft damit eine nicht gerade imaginative Spielfläche, auf der sich die Akteure präsentieren können.

Katharina Wagner nutzt die Statue als Metapher für Ruhm, Herrschaft und (sexueller) Gewalt, setzt auf die kommunikative Kraft der Vorhänge mit Bildern einer sexualisierenden Pop-Figur, lässt die Plebejer lemurenhaft über die Stufen krabbeln, arbeitet mit pseudo-aktualisierenden Gags wie austauschenden Perücken, einem kommunikativ-ennervierenden Friseur-Salon und nutzt hemmungslos die antlitz-verschmierenden Möglichkeiten der Maske. Das Patchwork historischer Versatzstücke und das Wirrwarr von Metaphern, abstruser Posierungen und bizarrer Gesten vermittelt keine schlüssige Inszenierungs-Idee – und bleibt in der Personenführung entsprechend dekorativ. John Dew lässt grüßen – doch gelang ihm vor zwanzig Jahren mit raffinierter Regie die verblüffende Konfrontation von elaborierter Ästhetik und schockartiger Erkenntnis. Davon ist bei der nicht-hinterfragenden Show Katharina Wagners nichts zu erleben.

Das Bremer Publikum – es bleiben bei der zweiten Aufführung viele Plätze leer – geht hanseatisch cool mit dem Bühnengeschehen um: man plaudert schon mal, geht zwischendurch auf Toilette und hält sich emotional bedeckt.

Hat allerdings auch wohl damit zu tun, dass die Aufführung im wesentlichen besetzt ist durch die Gäste der Sponsoren – ein vorangehender Empfang für diese besondere Spezies innerhalb des Opern-Publikums versperrt dem „normalen“ Besucher den gewohnten Zugang und macht das Foyer zur No-Go-Area. Da nimmt sich der treue Opern-Freund nicht mehr so ganz ernst genommen. Bremens Theater hat nach den intensiven Pierwoß-Jahren nicht nur künstlerische Probleme – die Kommunikation stimmt offenbar nicht. (frs)
 




Fotos: Theater Bremen