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Fakten zur Aufführung 

EUGEN ONEGIN
(Peter Tschaikowski)
15. November 2009 (Premiere)

Theater am Goetheplatz Bremen


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Russisches Leben, russische Kultur

Tatjana Gürbaca, Jahrgang 1973, gehört zu den vielbeachteten Regisseuren ihrer Generation. Am Theater Bremen inszenierte sie zum Auftakt der Intendanz von Hans-Joachim Frey 2007 Ligetis Le Gand Macabr“. Ihre zweite Inszenierung ist nun Tschaikowskys Eugen Onegin, zugleich zweiter Teil eines Zyklus dreier Tschaikowsky-Opern, die das Theater Bremen in Kooperation mit der Vlaamse Opera Antwerpen produziert. In Antwerpen hat Gürbaca als ersten Teil des Zyklus im Februar dieses Jahres Mazeppa herausgebracht, die in der kommenden Spielzeit auch in Bremen zu sehen sein wird.

In einem ausführlichen Interview im Programmheft legt sie zusammen mit ihren Ausstattern Silke Willrett und Marc Weeger ihre Sicht auf Eugen Onegin dar. „Ich finde, dass es durchaus eine Liebesgeschichte ist.“, ist da zu lesen und „Beim Hören der Oper hatte ich mehr und mehr das Gefühl, dass eigentlich die Zeit die Hauptrolle spielt.“ Schade ist, dass von diesen Gedanken, die teilweise durchaus plausibel sind, wenig auf der Bühne zu sehen ist. Die Beziehungen zu den Figuren werden nur schemenhaft angespielt, wo Gürbaca stärkere Bilder schaffen will – etwa bei der letzten Begegnung zwischen Lenski und Onegin – wirken die Gesten dann eher plakativ und übertrieben. Dass Onegin nicht der Sympathieträger des Stückes ist, das ist zweifelsohne so. Hier wirkt er jedoch allzu distanziert und abseits des eigentlichen Geschehens. Und zwischen ihm und Tatjana scheint auch nicht viel an emotionaler Intensität zu sein – bis auf das Schlussbild.

Der Abend kommt etwas schwer in Gang. Das mag sicher auch daran liegen, dass Gürbaca und ihr Team recht viele Klischees über russisches Leben und russische Kultur auf die Bühne bringen. Im ersten Bild, auf Larinas Gut, entsteinen alte, hässlich-bunt gekleidete Menschen Kirschen, ein perfektes Abziehbild der russischen Landbevölkerung. Beim Fest auf Larinas Hof vergnügen sich die Herren in einer Sauna mit den durchaus leichten Damen. Auch das eine mehr als typische Erscheinung aus russischen Bordellen, die hinlänglich aus den Medien bekannt ist. Höhepunkt dieses Bilderreigens ist eine Miniaturrakete, die beim Fest bei Gremin im dritten Akt über die Bühne getragen wird. Ja, Russland hat sich auch an der Raumfahrt beteiligt, jetzt wissen wir’s. Alles das sind viele Details, die fehlende dramatische Spannung begründen.

Musikalisch gewinnt der Abend in seinem Verlauf immer mehr an Kontur. Bremens Erster Kapellmeister Daniel Montané beginnt noch relativ zaghaft, dringt aber zunehmend tiefer in die aufwühlenden Seelenporträts ein, die Tschaikowsky von seinen Protagonisten zeichnet. Die Bremer Philharmoniker folgen ihm dabei mit stetig wachsender Aufmerksamkeit, spätestens im letzten Bild ist Montané mit seinen Musikern bei einem dramatisch zupackenden, sensiblen, aber nicht sentimentalen Tschaikowsky-Klang angekommen.

Auch die Protagonisten auf der Bühne brauchen etwas Zeit, um sich ganz frei zu singen. Nadine Lehner gibt in ihrer auch äußerlichen Zerbrechlichkeit eine anrührende Tatjana, in der Briefszene im zweiten Akt hätte sie weniger auf die Lautstärke ihres wunderschönen Soprans setzen sollen, bekommt das aber bestens unter Kontrolle und steigert sich zu einer fulminanten Schlusszene mit Eugen. Den gibt Juan Orozco mit seinem kernigen, voluminösen Bariton stimmlich prachtvoll, darstellerisch gekonnt unnahbar und distanziert, was ihn aus zumindest Tatjanas Sicht durchaus unsympathischen Figur werden lässt. Jared Rogers beginnt als Lenski zu vorsichtig, gewinnt aber immer mehr stimmliche Kontur und singt seine Arie im zweiten Akt, kurz bevor er von Onegin im Duell getötet wird, mit berührender Intensität und den reichen Farben seines etwas rauen, aber sehr ausdrucksstarken Tenors. In den kleineren Partien können Tamara Klivadenko als stimmliche Luxusbesetzung für die Rolle der Olga, Jose Gallisa als stattlicher und sonorer Gremin und Irina Ostrovskaja als Amme Filipjewna vollkommen überzeugen. Barbara Buffy mit ihrem kehligen Alt als Larina und die übrigen Rollen bleiben da eher unauffällig bis solide.

Angemessen stürmischen Beifall gab es am Ende für das Ensemble und Daniel Montané, die für die weiteren Teile des Zyklus’ eine ganze Menge Tschaikowsky-Energie versprechen. Tatjana Gürbaca stieß dagegen mit ihrer unentschlossenen und wenig geschlossenen Regie nicht bei allen Teilen des Publikums auf Verständnis und Akzeptanz.

Christian Schütte

 






 
Fotos: © Jörg Landsberg