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Fakten zur Aufführung 

MAZEPPA
(Pjotr I. Tschaikowsky)
9. Januar 2011
(Premiere: 6. November 2010)

Theater Bremen


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In Untergang und Wahnsinn getrieben

Das Theater Bremen produziert seit der letzten Spielzeit in Kooperation mit der Oper Antwerpen einen kleinen Tschaikowsky-Zyklus. Regisseurin Tatjana Gürbaca hat nach Eugen Onegin jetzt die selten gespielte Mazeppa inszeniert.
Mazeppa ist eine historische Figur, Kosakenhauptmann und Fürst der Ukrainer, der sein Volk im Kampf gegen Zar Peter I. anführt. Die Geschichte der Oper beginnt damit, dass Mazeppa und Maria, sein Patenkind, Tochter Kotschubejs, eines engen Vertrauten Mazeppas, ihre Liebe zueinander entdecken und heiraten wollen. Dem konservativen Kotschubej und seiner Frau Ljubow ist es wegen des beträchtlichen Altersunterschieds der beiden unmöglich, dem zuzustimmen, Maria widersetzt sich dem und folgt Mazeppa; der steht im Gegensatz zu ihren Eltern für das Überwinden gesellschaftlicher – und politischer – Konventionen. Kotschubej will Mazeppa beim Zaren verraten lassen, weil dieser eine Verschwörung gegen Russland plane, unterstützt von Polen und Schweden. Der Zar vertraut jedoch Mazeppa vollkommen, Mazeppa lastet Kotschubej die Verschwörung an. Der wird verhaftet, gesteht unter Folter den Verrat und wird hingerichtet. Mazeppa zieht gegen den Zaren in die Schlacht, unterliegt aber – das System ist zerstört, Mazeppa zur Flucht gezwungen. Maria verfällt vor dem Hintergrund dieser Ereignisse dem Wahnsinn. Ihrem Jugendfreund Andrej, der sie einst aufrichtig liebte und von Mazeppa, als er Rache nehmen wollte, tödlich getroffen wurde, kann sie nur noch ein letztes Wiegenlied singen.
Regisseurin Tatjana Gürbaca, Klaus Grünberg (Bühne und Licht) sowie Silke Willrett und Marc Weeger (Kostüme) finden für diese Geschichte eine stimmungsstarke und psychologisch differenzierte Sichtweise, die die Zuschauer gleich mit dem ersten Bild in einen Bann zieht, der bis zum Schluss anhält. Klaus Grünbergs Raum kommt dabei mit wenigen Mitteln aus. Eine spiegelnde Fläche auf dem Bühnenboden, eine weiße Fläche im Hintergrund bilden den bleibenden Rahmen. Darauf zeigt er im ersten Bild eine Art Miniatur-Silhouette Russlands auf erdigem Boden; der wird im zweiten Bild einfach zusammengefegt, denn mit Marias Weggang ist nicht nur die persönliche Situation aller, sondern auch die politische eine ganz andere geworden. Starke Lichteinstellungen verleihen dem Gefängnisbild besondere Intensität. Bei Mazeppa zu Hause stehen herunterhängende Spitzentischdecken und übergroße bunte Lampen nicht nur als Symbole russischen Kitsches, sondern auch für Wohlstand der Aufstrebenden, Machthabenden. Der wird durch die Schlacht am Beginn des dritten Akts zerstört, äußerlich wie innerlich. Diese prägnanten Räume nutzt Tatjana Gürbaca, eine tiefgreifende, die Psychologie der Figuren treffend auslotende Personenregie zu entwickeln, die Geschichten und Entwicklungen jeder einzelnen Figur erfahrbar macht.
Vor allem aber mit der musikalischen Seite vermag sich das Theater Bremen mit diesem – noch – so unbekannten Werk stark zu profilieren. Jacek Strauch gestaltet die Titelpartie mit seinem imposanten und in allen Lagen ausgeglichenen Bariton zielsicher zwischen Auftrumpfen und Verzweiflung, äußerer Stärke und innerer Zerbrechlichkeit; Nadine Lehner beglaubigt die Wandlung der Maria von der kindlichen, aber leidenschaftlich liebenden zur wahnsinnig gewordenen Frau mit ihrem durchsetzungsstarken, dabei dennoch zerbrechlich timbrierten Sopran mit starker Präsenz. Als Marias Elternpaar geben Tamara Klivadenko und Loren Lang eindringliche Porträts. Marias Jugendfreund Andrej gibt Michael Baba mit seinem kernigen Tenor als empfindsamen Schwächling. In den weiteren Partien komplettieren Christian Hübner, Sungkuk Chang und Randall Bills ein Ensemble von außergewöhnlicher Geschlossenheit. Dem steht der Chor des Bremer Theaters bei seinen kurzen Auftritten in nichts nach.
Daniel Montané animiert die Bremer Philharmoniker zu emotional aufgeladenem, präzisem und plastischem Tschaikowsky-Klang, der die Qualitäten der Partitur in allen Nuancen hörbar werden lässt. Dabei ist er dem Ensemble auf der Bühne stets ein aufmerksamer Begleiter und deckt die Bühne niemals zu.
Diese bemerkenswerte Aufführung ist beim Bremer Publikum offenbar angekommen. Zwei Monate nach der Premiere ist das Haus zur Nachmittagsvorstellung am Sonntag gut gefüllt, die Begeisterung am Ende einhellig.

Christian Schütte

 













 
Fotos: Jörg Landsberg