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Auf ewig mitleidslos?
Carl Friedrich Oberle nutzt die große Fläche der Bühne mit überdecktem
Orchestergraben für alle faszinierenden figuralen Möglichkeiten der Simultan-Bühne:
die Kneipe, das Dorf, die Kirche, die Behausung: alles ungeheuer dicht
und im Wechsel der Szenen beklemmend gegenwartsschaffend.
Rosamund Gilmore inszeniert - wie zu erwarten - vornehmlich choreografische
Konstellationen. Es gelingt ihr nicht, die elementaren Kontroversen der
Individuen unter dem Druck ideologischer Ausweglosigkeit zu vermitteln
- doch stellen die Konstellationen für das Verstehen unbegreiflichen Vernichtungswillens
eine eindrucksvolle Folie, prononciert durch eine intensive Personenführung.
Jeffrey Stewart ist ein tragischer Manolio, der wieder-gekreuzigte Jesus
als engagierter Darsteller. Faszinierend die Gegenüberstellung der divergierenden
Religionsvorstellungen der Priester Fotis als Hüter des Seienden (Loren
Lang) und Grigoris als Anwalt der Bedürftigen (Andreas Haller) - beide
mit fulminantem Ausdruck. Sybille Specht, die als übelbeleumdete Katerina
die Maria Magdalena im Passionsspiel besetzen soll, und die verliebte
Lenio (Irina Wischnitkaja) spielen und singen die weiblichen Positionen
im unaufhaltsamen Prozess gesellschaftlicher Gewalt. Das gesamte Ensemble
bestätigt vor allem mit den Leistungen des Chors die Kompetenz des Bremer
Theaters für ungewöhnliche Herausforderungen.
Stefan Klingele lässt die Bremer Philharmoniker - hinter der Bühne positioniert
- die komplizierte Durchdringung klassischer Attitüden intensiv hörbar
werden.
Das Bremer Publikum folgt der Umsetzung der Kazantzakis-Vorlage gebannt,
ist sowohl von elementarer Friedensbotschaft als auch vom ästhetischen
Reiz tief beeindruckt. Ein nachdenkenswertes Werk trifft auf ein rezeptionsbereites
Publikum. (frs) |
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