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Fakten zur Aufführung 

DIE FLEDERMAUS
(Johann Strauß)
24. Januar 2010
(Premiere: 11. Dezember 2009)

Theater Bremen


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Warum heißt die „Fledermaus“ nur „Fledermaus“?

Auf der Bühne taucht keine Fledermaus auf, sie wird zwar gelegentlich besungen, aber so richtig erkennbar wird auf den ersten Blick nicht, warum die Operette aller Operetten diesen Titel trägt. Dass alles mit der Vorgeschichte zu tun hat, die auf einen Kostümball zurückgeht, dem Gabriel von Eisenstein als Schmetterling und sein Notar Dr. Falke als Fledermaus verkleidet beiwohnten und der in einer ausgesprochenen kostümierten Peinlichkeit für die Fledermaus Dr. Falke endete, das stellt Regisseur Christian Schuller in seiner Inszenierung für das Theater Bremen ganz in den Mittelpunkt des Geschehens. Was auf der Bühne passiert, ist die Rache Dr. Falkes an seinem Freund Eisenstein, verpackt als glasklare Gesellschaftssatire – wie weit muss eine Gemeinschaft gekommen sein, um einen Menschen aus ihrer Mitte in eine Haftanstalt einweisen zu lassen, bloß weil er sich vor einiger Zeit einen sicherlich bösen Scherz mit einem Freund erlaubt hat? Christian Schuller „hat zusammen mit seinem Ausstatter Jens Kilian eine Bilderwelt entworfen, die den Taumel zwischen Wunschwelt und Ernüchterung einzufangen sucht.“, heißt es im Programmheft. Und in der Tat gelingt es Schuller, die Geschichte abseits jeder zeitlichen oder gesellschaftlichen Zuordnung zu erzählen, ohne irgendeine historische Konkretisierung. Die Eisensteins leben zwischen Traum und Wirklichkeit, ein großes Guckloch in einer Wand gibt im ersten Akt immer wieder den Blick auf ein ausgesprochen plüschiges Boudoir frei, was nicht nur das Bett Rosalindes ist, sondern auch der Raum, mit dem sie sich etwa mit dem Sänger Alfred vergnügt. Der kommt als eine köstliche Melange aus Sonnenkönig und einer barocken Putte, mit dem Kopfschmuck eines Zirkuspferds als herrliche Karikatur des selbstverliebten Künstlers daher. Christian-Andreas Engelhardt singt ihn mit der nötigen Portion tenoralen Überdrusses, dabei nicht immer ganz exakt in der Intonation.

Die Gesellschaft des zweiten Aktes findet sich bei Orlofsky unter einem riesigen Kronleuchter ein, Orlofsky und sein „Stab“ kommen auf Rollschuhen, um den wackligen Boden der Tatsachen zu zeigen. Sonst sind die Gäste alle von Kopf bis Fuß rot, keine Individualität ist zu erkennen. Orlofsky selbst wirkt mit blondem Pagenkopf und allzu sehr die weibliche Formen betonendem Outfit kaum mehr androgyn, sondern schon sehr feminin – Barbara Buffy singt ihn mit schönem Mezzo-Material, das sie allerdings in puncto genaue Artikulation noch verfeinern sollte. Das gilt auch für Patricia Andress als Rosalinde, für die die Rolle stimmlich vielleicht noch etwas früh kommt. Jochen Kupfer gibt den Eisenstein mit kernigem Bariton und angemessen draufgängerischer Darstellung, Levent Bakirci gewinnt in der kurzen Gesangspartie des Dr. Falke kaum Format.

Nüchtern graue Wände bestimmen das Gefängnis des dritten Aktes, in dem Christian Hübner mit profundem Bass als Direktor Frank die Geschicke leitet. Für die Sprechrolle des Gefängniswärters Frosch konnte das Theater Bremen den einem breiten Publikum vor allem durchs Fernsehen bekannt gewordenen Dresdner Schauspieler Wolfgang Stumph gewinnen. Der kommt ursprünglich vom politischen Kabarett, was durchaus zu merken ist, wenngleich er – von der Regie? – zu einigen argen textlichen Plattitüden angehalten ist. In diesem Gefängnis nun klärt sich alles auf, am Ende war eben doch nur der Champagner an allem Schuld – und die kecke Kammerzofe Adele wird sich ihren Wunsch erfüllen, zum Theater zu gehen – was für eine Doppeldeutigkeit!! Glücklicherweise ist die famose Sara Hershkowitz schon am Theater und überragt in ihrer Rolle gesanglich das gesamte Ensemble. Einerseits die naive Kammerzofe, andererseits das kecke Mädel, was seiner Hausherrin Rosalinde eine sterbenskranke Tante vorgaukelt, um der Einladung zu Orlofsky folgen zu können – das alles meistert Hershkowitz mit absolut sicherer Stimmführung, perlenden Koloraturen und einem Spielwitz, der einfach nur große Freude bereitet.

Markus Poschner führt die Bremer Philharmoniker einerseits sehr souverän durch die heikle Partitur, schlägt andererseits teilweise allzu rasche Tempi an und gibt damit Strauß’ Musik nicht immer den nötigen Raum, sich voll entfalten zu können.

Das Publikum im ausverkauften Bremer Theater würdigte diese sicher in vielem ungewöhnliche, gleichwohl sehenswerte Fledermaus mit nicht allzu überschäumendem Applaus – da hat sich der eine oder andere vielleicht doch ein wenig mehr Wiener Schmäh auf der Bühne gewünscht.

Christian Schütte

 





Fotos: Jörg Landsberg