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Fakten zur Aufführung 

SALVATOR ROSA
(Antônio Carlos Gomes)
20. Januar 2010

Staatstheater Braunschweig


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Wiederentdeckung nicht nur für Kulinariker

„Es müssen ja nicht immer „Aida“ und „Otello“ sein!“, sagt Georg Menskes, Chordirektor und Dirigent am Staatstheater Braunschweig, auf die Frage, warum es zur aktuellen Premiere in der schon Tradition gewordenen Reihe der Wiederentdeckung in Vergessenheit geratener Opern von oft auch in Vergessenheit geratenen Komponisten kam. Dieses Mal trifft tatsächlich beides zu. Antônio Carlos Gomes ist auf deutschen Opernbühnen nahezu unbekannt, seine jetzt in Braunschweig zur Premiere gebrachte Oper Salvator Rosa erklingt gar zum ersten Mal überhaupt in Deutschland – nach ihrer Uraufführung 1874 in Genua. Gomes wurde 1836 in Brasilien geboren und starb 60 Jahre später auch dort. Dazwischen gab es für ihn ausgesprochen fruchtbare Lebensperioden in Italien, vor allem Mailand, wo er mit seinen Opern nicht nur große Erfolge feiern konnte, sondern auch von Zeitgenossen wie Giuseppe Verdi hoch geschätzt wurde.

Die Handlung spielt in Neapel zur Zeit der spanischen Besatzungsmacht, kurz vor einem Aufstand der Bevölkerung. Im Zentrum der Handlung steht der in Italien zu dieser Zeit sehr berühmte Maler Salvator Rosa, der einerseits ein guter Freund des Anführer des Aufstands – Masaniello – ist, andererseits aber in Isabella, die Tochter des Herzogs von Arcos, Anführer der spanischen Besatzer in Neapel, verliebt. Die Geschichte entfaltet sich zwischen geglückten und gescheiterten politischen Handlungen, den daraus resultierenden persönlichen Verknüpfungen, sie handelt von Menschen, die zwischen moralischer Pflicht und emotionaler Hingabe stehen. Dramaturgisch und musikalisch sind deutliche Parallelen zur italienischen Oper der Zeit Gomes’ zu erkennen, Verdi war ihm kompositorisch hörbar ein großes Vorbild. Aber doch bleibt ein sehr individueller Eindruck zurück, Momente von großer dramatischer Spannung, die doch ganz anders sind als bei Verdi – vor allem in den großen Chorszenen.

Regisseur Uwe Schwarz und seine Ausstatterin Dorit Lievenbrück erzählen die Geschichte in einem großen Maleratelier auf der Drehbühne des Staatstheaters, die bei gleichbleibendem Rahmen auch als Kommandozentrale der spanischen Besatzung, als Kirche, als Kloster und einiges mehr sehr praktikabel funktioniert. Das Milieu des Malers Salvator Rosa bleibt so Mittelpunkt der Bühne, was szenisch durchaus gut funktioniert, da der Maler als Souverän zwischen den Konflikten der Geschichte stets standhaft bleibt, gleichsam einen Ausgleich bildet. Das schafft Ray M. Wade jr. in der Titelrolle auf beeindruckende Weise auch stimmlich und führt damit das famose Ensemble an. Der Amerikaner verfügt über einen sicher anspringenden, nur in der Höhe manchmal leicht verengten Tenor, der vor allem für das italienische Fach wie geschaffen ist. Mit welcher technischen Selbstverständlichkeit und klanglichen Schönheit er sich durch seine anspruchsvolle Partie bewegt, macht neugierig auf mehr, die eine oder andere Partie bei Verdi und Puccini empfiehlt sich da dringend.

Nicht minder eindrucksvoll Mária Porubcinová als Isabella, die sich im Lauf des Abends mit großem dramatischem Impetus ihres intensiv aufblühenden, weiten Soprans in alle Seelenzustände der Rolle perfekt hineinversetzt. Eine junge Sängerin, deren weiterer Weg zu verfolgen sein wird. Malte Roesner als Masaniello gewinnt nach recht zaghaftem Beginn zunehmend an Format, beeindruckt vor allem im dritten Akt durch eine szenisch wie stimmlich packende Darstellung des zunehmend wahnsinniger werdenden Mannes. Simone Lichtenstein gibt mit ihrem glockenhellen Sopran keck und spielfreudig Gennariello, einen jungen Freund Salvator Rosas. Dae-Bum Lee verleiht Isabellas Vater mit seinem voluminösen, ausdrucksstarken Bass die notwendige Bedrohlichkeit und Schärfe. In den kleineren Partien überzeugen Tobias Haaks als Fernandez und Kenneth Bannon als Conte die Badajoz auf ebenso hohem Niveau.

Georg Menskes hat Gomes hörbar für sich entdeckt, leitet vom Pult aus sowohl seinen Chor als auch das Staatsorchester Braunschweig sicher, präzise und mit großem Gespür für die starke musikdramatische Ausdruckskraft der Partitur durch den Abend. Wie er den ausgesprochen homogenen Chor in den Massenszenen zusammen mit seinen Musikern zu dramatischen Steigerungen und Ausbrüchen mitreißt, wie sicher er dazu sein Ensemble führt, das bleibt nicht nur nachhaltig im Ohr, sondern kann nicht nur den ausgesprochenen Kulinariker in Gomes-Begeisterung versetzen. Ein in jeder Hinsicht hörens- und sehenswerter Abend!

Das Publikum im nicht ganz ausverkauften Staatstheater fing rasch Feuer für diesen so lange in die Archive und Bibliotheken verbannten Komponisten, feierte vor allem das Ensemble, Chor und Orchester mit großem Beifall und vielen Bravi für diese gelungene, überfällige Wiederentdeckung.

Christian Schütte


 




 
Fotos: Christian Bort