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Fakten zur Aufführung 

EUGEN ONEGIN
(Peter Tschaikowski)
10. Dezember 2009
(Premiere: 4. Dezember 2009)

Staatstheater Braunschweig


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Große innere Spannung

Silviu Purcarete hatte seine Inszenierung von Tschaikowskis Eugen Onegin 2005 an der Bonner Oper herausgebracht. Jetzt wurde sie für das Staatstheater Braunschweig neu einstudiert. Der rumänische Regisseur, der in seiner Heimat wie auch auf internationalem Parkett vor allem für seine Schauspielproduktionen bekannt wurde, bevorzugt für den Eugen Onegin eine durchweg klassische, traditionelle Sichtweise. Helmut Stürmer, ebenso Rumäne, schafft ihm dafür wunderbar poetische, bildervolle und bildstarke Räume mit äußerst schön anzusehenden Kostümen ganz aus dem Geist der Entstehungszeit des Werkes. Die von Melancholie geprägte Grundstimmung der Geschichte fangen Regisseur und Bühnenbilder durch gekonnte Effekte mit Licht und transparenten Zwischenvorhängen ein, vieles wirkt genauso verschleiert und gedämpft, die Figuren so in Gedanken verfangen, wie es die Geschichte vorgibt.

Dass die Personenführung manchmal arg statisch und unbeholfen wirkt, das „Rampensingen“ in vielen Momenten allzu sehr in den Vordergrund tritt, ist schade, tut den stimmungsvollen Szenen und Bildern indes wenig Abbruch. Einzelne szenische Einfälle sind unmittelbar packend. Der Schluss des zweiten Aktes spielt in einem von Eis und Kälte gefangen genommenen Raum, ein Bild von beklemmender Intensität. Unmittelbar nach Lenskis Tod setzt der Walzer ein, der das Fest bei Gremin einleitet. Onegin wird auf offener Bühne in einen ergrauten Mann verwandelt. Wie sehr die Geschichte aus aneinandergereihten Stationen besteht und eben nicht dramaturgisch schlüssig fortläuft, bekommt dadurch eine eindrucksvolle Versinnbildlichung. Purcarete schafft eine zusätzliche Stumme Figur, einen alten, grauen, bärtigen Mann im bodenlangen Mantel, der den Abend über beinahe permanent auf der Bühne ist. Im Schlussbild schaufelt er auf der Theaterbühne, die den Saal bei Gremin im Hintergrund abschließt und auf der Gremin und Tatjana zu Beginn des Akts von ihren Gästen bewundert werden, ein Grab. Onegin sieht das, wenn er sich am Ende nach hinten wendet und den alten Mann in bedrohlicher Pose vor seinem eigenen Grab erkennen muss – das ist ein Einfall, der fast schon atemberaubend ist. Davon hätte es noch einiges mehr geben können.

Dass der Abend eine große innere Spannung aufbaute, liegt vor allem an Braunschweigs Generalmusikdirektor Alexander Joel. Der erweist sich einmal mehr als Mann für den packenden Zugriff. Im ersten Akt sind da noch einige unschöne Unsauberkeiten in den Streichern zu hören, einige arg wacklige Einsätze der Bläser. Spätestens mit dem Fest bei Larina sind diese Unebenheiten aber ganz verschwunden. Das Staatsorchester Braunschweig folgt Joel überwiegend sehr konzentriert. Sicher ist es denkbar, Tschaikowskis Partitur filigraner, schlanker und sensibler anzugehen. Was Alexander Joel aber mit teilweise die Grenzen des Möglichen auslotender Dynamik erreicht, wie er sein Ensemble in diesen famosen musikdramatischen Strudel mitzureißen vermag, das verfehlt seine Wirkung nicht.

Seine Sänger bettet er damit nicht unbedingt immer auf Rosen. Allerdings kann er sich auf stimmstarke Protagonisten verlassen. George Stevens hat mit der hölzernen Personenführung am ärgsten zu kämpfen, schafft es nur bedingt, sich frei zu spielen. Stimmlich zeichnet er mit seinem hellen, kernigen Bariton gleichwohl ein überzeugendes Rollenporträt. Das gelingt ebenso Arthur Shen als Lenski. Auch wenn sein Tenor mitunter etwas rau und in der Höhe eng klingt, kann er die Seelenzustände des Dichters vollkommen zum Ausdruck bringen und brilliert mit einer perfekt gestalteten Arie im zweiten Akt. Liana Aleksanyan gibt die Tatjana mit wohl dosiertem stimmlichen Einsatz, nimmt sich passagenweise sehr zurück, lässt ihren gut fokussierten Sopran dann aber auch wieder voll und ganz aufblühen, wie etwa auf dem Höhepunkt der auch darstellerisch eindrucksvollen Briefszene. Der stimmliche Gesamteindruck, den sie hinterlässt, ist ausgesprochen vielversprechend und kann durchaus dazu verleiten, der noch jungen Sängerin eine große Karriere in diesem Fach zu prophezeien. Sie empfiehlt sich dafür jedenfalls nachdrücklich.

Nicht minder überzeugend sind die weiteren Partien besetzt, allen voran Julia Rutigliano als kokette Olga und Selçuk Hakan Tiraşoğlu als bassgewaltig-autoritärer Gremin. Evelyn Krahe gibt mit charaktervollem Alt eine anrührende Filipjewna, Sarah Ferede ist mit ihrem intensiven, klangschönen Mezzo schon beinahe eine Luxusbesetzung für die Larina. Kenneth Bannon schließlich singt das Couplet des Triquet als blinder Greis mit nachhaltigem Charaktertenor.

Der Abend stellt das hohe Niveau des Braunschweiger Opernensembles einmal mehr nachdrücklich unter Beweis. Das Publikum spendete dafür zwar begeisterten, aber recht kurzen Beifall.

Christian Schütte

 







 
Fotos: Staatstheater Braunschweig