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Fakten zur Aufführung 

LADY MACBETH VON MZENSK
(Dmitri Schostakowitsch)
9. Oktober 2010 (Premiere)

Staatstheater Braunschweig


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Klänge und Bilder von seelischer Verkümmerung

Das Staatstheater Braunschweig eröffnete mit Schostakowitschs bis heute präsentem, aber in Aufführungszahlen gemessen doch eher selten zu hörendem Werk die neue Spielzeit im Großen Haus, zugleich die erste Opernpremiere unter dem neuen Generalintendanten Joachim Klement. Allen Respekt verdient ein Musiktheaterabend, der in allen Bereichen eine Größe erreicht, die weit über die Grenzen von Stadt und Land hinaus keine Vergleiche scheuen muss.
Regisseurin Konstanze Lauterbach inszeniert in dieser Spielzeit am Haus noch Mascagnis fast in Vergessenheit geratene Oper Isabeau und wusste bei Drucklegung des Jahresspielplans selbst noch nicht, dass sie für die Eröffnungspremiere einspringen wird. Ein Stück solchen Formats kurzfristig zu übernehmen, ist ein großes Wagnis. Konstanze Lauterbach gewinnt es. Von Franz Koppendorfer lässt sie sich einen kahlen, weißen Raum bauen, der als signifikantes Element eine Wand aus Strohballen zeigt, die – auf der Drehbühne bewegt – immer wieder neue Räume eröffnet. Die Konzentration ist ganz bei den Menschen auf der Bühne.
Die Regisseurin erzählt vor allem die Geschichte einer zutiefst unglücklichen, nervösen, gequälten und an sich selbst leidenden Frau. In der Gesellschaft, in der sie lebt, strahlt sie als einzige Schönheit aus – Karen Simon unterstreicht das durch sehr geschmackvolle und ästhetische Kostüme, die aus dem überwiegenden Grau der anderen herausragen. Diese Schönheit nützt Katerina allerdings nichts, sie wird von ihrem Schwiegervater und vom Ehemann schlecht und abweisend behandelt, flüchtet sich in eine Affäre mit dem Arbeiter Sergej. Sie selbst bringt ihren Schwiegervater um, mit ihrem Liebhaber zusammen ihren Ehemann. Als Mörder entlarvt, werden beide festgenommen. Auf dem Weg in ein sibirisches Arbeitslager stürzt Katerina sich schließlich selbst ins Wasser. Diese tragische Geschichte einer gescheiterten Frau entwickelt Konstanze Lauterbach aus einer Personenführung, die Nervosität, Brutalität und Grausamkeit der Figuren in spannungsgeladenen Bildern formt, sie ausgesprochen sicheres Gespür für die musikdramatische Kraft der Musik Schostakowitschs auf die Bühne. Jede einzelne Figur zeichnet sie als präzisen Charakter, entwickelt ihre Regie unmittelbar aus dem Text heraus. Dass sie ursprünglich vom Schauspiel kommt, wurde der Aufführung hier sicher zu einem großen Vorteil.
Der großartigen Regieleistung vollkommen ebenbürtig, erreicht Generalmusikdirektor Alexander Joel mit dieser Aufführung einen glanzvollen Höhepunkt in der Zusammenarbeit mit dem Staatsorchester Braunschweig. Wie er allen Facetten der Partitur, von den rhythmisch aufgeladenen Orchesterzwischenspielen über die volksliedhaften Elemente bis hin zu den ganz intimen, sehr lyrischen Momenten nachspürt, hat außergewöhnliches Format. Sein Orchester folgt ihm dabei mit beispielhafter Sicherheit und Präzision.
Auf dieser Grundlage kann sich das Solistenensemble bestens profilieren. Morenike Fadayomi singt und spielt die Katerina Ismailowa bis an die Grenzen der Verausgabung, verlässt sich dabei nicht ausschließlich auf die Üppigkeit und Schönheit ihrer Stimme, hat keine Scheu vor fahlen, blanken Tönen. Die erfordert die Partie aber unbedingt, um ihr gerecht zu werden, genauso wie zarte, belcantistische Phrasen. Alles bringt sie zu einer famosen singschauspielerischen Leistung zusammen. Sergey Nayda singt an ihrer Seite einen kraftvollen, dunkel gefärbten Sergej, Oleg Bryjak mit großem, charakterstarken Bassbariton den brutalen, schmierigen Schwiegervater Boris. Ebenso überzeugend sind die kleineren Partien besetzt, von denen stellvertretend Tobias Haaks als Katerinas Ehemann, Julia Rutigliano als Aksinja, Sarah Ferede als Sonjetka und Dae-Bum Lee als Pope und Alter Zwangsarbeiter genannt seien. Nicht zu vergessen Chor und Extrachor des Staatstheaters, die Georg Menskes zu einer homogenen, eindrucksvoll kollektiven Leistung anleitete.

Die Konzentration der Aufführung übertrug sich ganz auf das Publikum, das am Ende alle Beteiligten mit großem Jubel feierte. Das war nicht nur ein gelungener Spielzeitauftakt, mit dieser Produktion bezieht das Braunschweiger Haus nachdrücklich Position in der Musiktheaterlandschaft.

Christian Schütte










Fotos: Karl-Bernd Karwasz