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Fakten zur Aufführung 

DIE FLEDERMAUS
(Johann Strauß)
27. November 2010 (Premiere)

Staatstheater Braunschweig


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Champagner und Jägermeister

Dass der edle französische Schaumwein zur Fledermaus gehört wie das Stück selbst zu Silvester, bedarf keiner Erwähnung. Dass aber Doktor Falke und Eisenstein im ersten Akt der Fledermaus auf das bevorstehende Fest beim Prinzen Orlofsky mit einem Jägermeister anstoßen, den Falke zuvor aus der Hausbar nimmt – ein köstlich-kitschiger goldener Hirsch in Lebensgröße – das ist nur eines der vielen liebevollen Details, mit denen Thomas Enzinger seine Neuinszenierung würzt. In schon operettenbewährter Zusammenarbeit mit seinem Ausstatter TOTO bringt Enzinger auch in der Fledermaus vor allem seinen sichtlich großen Spaß an diesem Genre auf die Bühne. Das Haus der Eisensteins sieht nach angedeutetem frühen 20. Jahrhundert aus, Details wie der Hirsch und die Tannen im Modelleisenbahn-Stil, die durch die Fenster im Hintergrund zu sehen sind, sorgen dabei für das eine oder andere Augenzwinkern.

Regisseur und Bühnenbildner scheuen sich nicht vor bunten Bildern und Opulenz, das zeigt das Fest bei Orlofsky: dunkles, bunt schillerndes Lametta, das den Saal begrenzt, übergroße und reich geschmückte Tannen, in viel Tüll gehüllte Damen als Gäste. Das ist viel, aber nicht zu viel. Und vor allem – das bleibt ganz bei der Geschichte, ohne Verdrehungen und Verzerrungen, da genügt das, was ohnehin schon da ist. Doktor Falke hält als Strippenzieher die Fäden in der Hand, alles ist und bleibt nur ein Spiel. Bis zum Schluss, wenn sich die Wände des Gefängnisses noch einmal auftun, den Blick auf Orlofskys Saal freigeben und die ganze Festgesellschaft dem gehörnten Eisenstein nur noch zu erkennen gibt, dass hier alles nur darum ging, ihn vorzuführen.

Thomas Enzingers Stärke liegt einmal mehr in einer differenzierten, exakten Personenführung, in der individuellen Gestaltung der Charaktere, bei der ihm TOTOs Kostüme prachtvoll helfen. Wenn das, zumal in den Chorszenen beim großen Fest, mitunter ein wenig nach Revue ausschaut, dann führt das vor Augen, wo diese kulturelle Erscheinungsform ihre Wurzeln hat. Und das alles anzusehen, macht einfach großen Spaß. Unterhaltung ist schließlich nichts Verwerfliches, sie erfordert nur große Mühe, um gut zu funktionieren. Hier hat’s geklappt!

Auch musikalisch versprüht der Abend eine Menge Funken. Einige Wackler zwischen Bühne und Graben seien der Premierennervosität gutgeschrieben, und an einigen Stellen wäre etwas weniger Dynamik von unten für das Durchdringen der Stimmen sicher hilfreich gewesen. Insgesamt aber animiert Georg Menskes das Staatsorchester zu einer hochmotivierten Wiedergabe der Partitur, präzise in der vertrackten Rhythmik und schwelgerisch-schön in der Strauß’schen Walzerseligkeit. Auf der Bühne überzeugt vor allem Thomas Blondelle mit sicher geführtem, klarem Tenor und köstlichem, wunderbar albernem Spiel als Eisenstein. Susanna Pütters als Rosalinde ließ sich vor der Vorstellung als erkältet ankündigen. In der Tat machten sich spätestens im Csárdás ein paar Spuren davon bemerkbar, die aber insgesamt kaum ins Gewicht fielen. Mit ihrem feinen, schön aufblühendem Sopran und einer fast schon aristokratischen Noblesse im Spiel füllte sie ihre Rolle ganz aus. Das gilt auch für Simone Lichtenstein als Adele, die nicht nur absolut koloratursicher sang, sondern die Kammerzofe mit dem unstillbaren Wunsch nach mehr im Leben anrührend verkörperte. Malte Roesner war ein edler Doktor Falke, Julia Rutigliano ein leicht verlotterter androgyner und stimmstarker Prinz Orlofsky, Arthur Shen eine stimmliche Luxusbesetzung für den Alfred und Frank Matthias ein sympathisch-trotteliger Gefängnisdirektor. Auf diesem Niveau setzte sich das Ensemble fort bis zu Georg Renz’ Frosch, der die Szene im Gefängnis erfolgreich von dem überbordenden Klamauk fernhielt, in den sie allzu oft ausartet.

So ist auch mit dieser dritten Produktion des Teams um Thomas Enzinger ein erfolgreicher und beglückender Operettenabend entstanden, der vom Premierenpublikum mit begeistertem Applaus und vielen Bravorufen dankbar aufgenommen wurde.

Christian Schütte

 











Fotos: Karl-Bernd Karwasz