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Fakten zur Aufführung 

FIDELIO
(Ludwig van Beethoven)
20. Mai 2010 (Premiere)

Staatstheater Braunschweig


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Gegen Unterdrückung

Der Vorhang hebt sich während der letzten Takte der Ouvertüre und gibt den Blick frei auf den Innenhof eines Gefängnisses – die Gefangenen sitzen in einer Art Käfige, wie Tiere hinter Gittern, buddhistische Mönche werden da hineingetrieben. Wolfgang Gropper, der zum Ende dieser Spielzeit nach 13 Jahren als Generalintendant des Staatstheater Braunschweig aus dem Amt scheidet, legt seine letzte Inszenierung als Symbol für die Unterdrückung von Minderheiten durch ein Militärregime am Beispiel der buddhistischen Mönche in Burma an. Die Hinweise darauf sind gleichwohl dezent. Nach dem Bild getriebener Mönche während der Ouvertüre lässt erst Pizarro im zweiten Akt, wenn er über seiner Uniform eines der traditionellen Mönchsgewänder trägt, wieder erkennen, was hier eigentlich Kern der Sache ist. Im Schlussbild taucht dann die Front der Befreiten als Massiv aus dem Bühnenhintergrund auf, mit Fahnen, Plakaten der Befreier.

Da ist der Minister Don Fernando dann konsequenterweise ebenfalls buddhistischer Mönch. An diesem Beispiel aus der jüngeren Geschichte erzählt Gropper die Geschichte, die am Ende in einer euphorischen Utopie endet. Für den Weg dahin findet er in der Welt des Gefängnisses immer wieder bezwingende und bedrohliche Bilder, gelingt ihm eine dichte, spannungsgeladene Personenführung, die ihren Höhepunkt in der Kerkerszene am Anfang des zweiten Aktes erreicht. Überhaupt gewinnt der Abend szenisch in seinem Verlauf immer mehr an dramatischer Dichte, an Unmittelbarkeit. Das liegt neben Wolfgang Groppers Regie und der kongenial dazu passenden Ausstattung von Ulrike Schlemm wesentlich an Jonas Alber.

Alber war von 1998 bis 2007 Chefdirigent des Hauses und präsentiert einen in vielerlei Hinsicht bemerkenswerten Fidelio. Das Staatsorchester hatte zumal im ersten Akt mit leichten Konzentrationsschwächen zu kämpfen, die aber kaum ins Gewicht fielen, denn Jonas Albers Zugriff auf Beethovens ebenso emotionale wie unopernhafte Partitur war von Beginn an sehr direkt, beinahe schroff, dabei transparent und mit ausgeprägtem Gespür für das transportierte musikalische Drama – auch in den recht singspielhaften ersten Szenen. Mit dieser Lesart verstand er es, sein Ensemble und den außergewöhnlich präsenten Chor des Staatstheaters zu motivieren.

Moran Abouloff und Tobias Haaks als Marzelline und Jacquino werten ihre Partien durch souveränen stimmlichen Einsatz, der den Figuren mehr vokales Gewicht verleiht, auf. Selçuk Hakan Tiraşoğlu gibt mit seinem voluminösen, schwarz gefärbten Bass einen Rocco, der nicht bloß unterwürfiger Gefängniswärter ist – da schlummert der Mitwisser und Mittäter durch. Jan Zinkler ist als Pizarro zwar darstellerisch sehr präsent, kann stimmlich indes kaum überzeugen. Sein an sich sehr individuell timbrierter Bariton ist eng und nasal geführt, dabei verliert die Stimme an Klang und Fokus und darunter leidet die Intonation.

Morenike Fadayomi ist Leonore, die nicht nur ihren Mann befreien will, sondern von Anfang an für eine große Sache kämpft, resolut und selbstbewusst. Die tiefen Lagen der Partie liegen ihr – noch – nicht ganz so, insgesamt liefert sie jedoch ein stimmlich bezwingendes Rollenporträt. Das gilt auch für Kor-Jan Dusseljee als Florestan, der seine kurze, aber heikle Partie sicher bewältigt. Henryk Böhm wirkt als Fernando als primus inter pares im Kreise der Befreiten, gewinnt vielleicht auch daher nicht allzu große stimmliche Autorität.

Gerade das Beispiel Burma für den in diesem Stück proklamierten Befreiungsschlag gegen eine unterdrückende Macht zu nehmen ist sicher diskussionsbedürftig, ebenso die dieser Idee geschuldete Anpassung der gesprochenen Dialoge. Ergebnis ist gleichwohl eine Aufführung von packender Kraft, die nicht nur alle auf der Bühne, sondern auch das Publikum mitriss und am Ende jubelnden Beifall auslöste.

Christian Schütte

 











Fotos: Franz Schlechter