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Fakten zur Aufführung 

COSIMA
(Siegfried Matthus)
28. April 2007 (Uraufführung)

Staatstheater Braunschweig

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Dionysischer Wahn

Friedrich Nietzsche hinterlässt ein Opernfragment, in dem es um zentrale Themen für den leidend-aggressiven Philosophen geht: um „das Weib“ – hier Cosima -, um Richard Wagners manische Leidenschaften, um den gedemütigten Hans von Bülow, um den tragischen Ludwig - um Begierden und Leidenschaften im Zustand der Paranoia.

Siegfried Matthus schafft ein vielfältig changierendes Werk mit ineinander verwobenen Handlungsebenen, mit divergierenden Motivationen der komplexen Personen, mit wechselnden Perspektiven auf die archetypischen Bedeutungszusammenhänge - und mit einem weitgespannten musikalischen Angebot: Verweise auf unzählige Wagner-Motive, thematisch genau gesetzt, beziehungsreich instrumentiert; Schlagwerk und Bläser steigernd bis zum finalen Furioso; die wundervolle Idee eines bühnenpräsenten Cellisten mit elegisch-kommentierendem Bogenstrich. Und – für die kommunikativen Zusammenhänge von hoher Relevanz – ein Prolog „Ariadne, Dithyrambos für Bariton und Orchester“, der den besessenen Nietzsche als imaginierten Dionysos auf der manischen Suche nach seiner Ariadne zeigt.

Jonas Alber gelingen die Verbindungen der heterogenen musikalischen Elemente mit dem hochkonzentriert-spielfreudigen Staatsorchester Braunschweig in gediegener Weise. Die musikalischen Vorgaben werden zu nachvollziehbaren kommunikativen Botschaften.

Richard Salter, der hochkompetente Interpret aktuellen Musiktheaters, gibt einen besessenen Nietzsche, darstellerisch total involviert, mit einem kraftvoll-flexiblen Bariton, der auch mit den brisantesten Herausforderungen souverän fertig wird. Karan Armstrong ist eine abgeklärt-selbstgerechte alte Cosima mit immer noch beeindruckend-grundierten stimmlichen Möglichkeiten. Susanne Pütters steht ihr mit frischer Stimme als junge Cosima kongenial zur Seite. Selcuk Hakan Tirasoglu als Arzt Binswanger, Thomas Blondelle als junger Nietzsche, Jan Zinkler als Ludwig und Hans Christoph Begemann als gebrochener Hans von Bülow tragen zum Erfolg der Braunschweiger Uraufführung mit engagiertem Spiel und kerniger Artikulation erheblich bei. Und der Chor des Staatstheaters (Leitung: Georg Menskes) zeigt kollektives Handeln und abgestimmtes Singen par excellence. „Oh, that Cello“-Solist Karl Huros vermittelt mit stoischer Attitüde sensibel-kunstvolle „Bühnenmusik“.

Frank Fellmann baut eine abstrahierende Bühne mit Versatzstücken einer Psychiatrie, heimelig-unheimlichen Privaträumen und gebrochenen öffentlichen Plätzen, die Raum geben für kommunikativ wirkungsvolle Konstellationen.

Kerstin Maria Pöhlers Regie setzt auf den Kontrast von statischem Beharren und exaltierter Aktion. Dabei bleibt das gesamte Geschehen in aller Intensität auf die Cosima-Ariadne-Projektion Nietzsches fokussiert. Verblüffend die Übereinstimmung von Bühnengeschehen und musikalischer Vorgabe!

Das Braunschweiger Premierenpublikum reagiert eher reserviert, doch der Schlussapplaus nach ereignis- und bedeutungsvollen neunzig Minuten kreativ-kommunikativem Musiktheater führt zu intensiver Zustimmung für Solisten, Orchester, Regieteam und Komponist. Man darf gespannt sein auf die folgende Erarbeitung des attraktiven Werks in Altenburg-Gera. (frs)


Fotos: Franz Schlechter