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Fakten zur Aufführung 

MADAMA BUTTERFLY
(Giacomo Puccini)
23. August 2009
(Premiere 15. August 2009)

Burgplatz Braunschweig
Staatstheater Braunschweig


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Imperiale Macht

Der Braunschweiger Löwe wird überragt vom Amerikanischen Adler, der Sockel ist umhüllt von Stars and Stripes – Symbole imperialer Macht. Zu Füßen des Denkmals ein japanischer Zen-Garten mit Wasserfläche, Brücke, Stegen und Bambus-Grün. Dazu die beherrschende Kulisse der Burg Dankwarderode und des Doms St.Blasii – Monumente mittelalterlicher Herrschaft. Es ist klar: Es geht um die Demonstration kultureller Vorherrschaft in Puccinis Butterfly in der malerischen „Arena“ auf historischem Gelände.

Die Opern-Inszenierungen auf dem so geschichtsmächtigen Platz sind seit Jahren „Kult“ für eine ganze Region. Das Staatstheater Braunschweig demonstriert seine künstlerischen Kräfte – und ein hoch motiviertes Publikum nimmt dies Angebot begeistert an; in diesem Jahr gibt es 17 ausverkaufte Vorstellungen! Klar, dass es da Besucher gibt, die sich während der Aufführung im Programmheft blätternd über den Inhalt informieren, die sich tuschelnd austauschen – aber es entwickelt sich dennoch eine wunderbar konzentrierte Atmosphäre, die sich vom sommerlichen Event-Genießen unter freiem Himmel deutlich abhebt.

Verantwortlich dafür ist sicherlich der unwiderstehliche Ernst der künstlerischen und technischen Anstrengungen der Braunschweiger Oper: Harald B. Thor schafft ein ungemein dichtes „Bühnenbild“, integriert das Geschehen in die existierenden Monumente, nutzt den Spielraum zu imaginierenden Bildern und gibt dem Publikum eine schier unerschöpfliche Auswahl an optischen Reizen.

Andreas Baesler inszeniert den Zusammenprall zweier Kulturen, fokussiert im Puccini-Verständnis auf die nicht hinterfragte Dominanz des Amerikanismus, polarisiert die Handlung am Ende mit der Überdeckung des japanischen Idylls durch eine martialische Amerika-Fahne. Und: Es gelingt ihm, die Geschichte der ungleichen Liebe suggestiv zu erzählen – mit kommunikativ-persuasiven Details, mit einer „Personenführung“, die alle Möglichkeiten des imaginationsreichen Spielorts ideenreich nutzt!

William Lacey dirigiert das präzis reagierende Staatsorchester Braunschweig sehr konzentriert, entwickelt einen Puccini-Klang, der sich niemals im Sentimentalen erschöpft, „avantgardistische“ Experimente vermeidet, allerdings „moderne“ Puccini-Töne prononziert - und die spezifische Situation der Open-Air-Möglichkeiten brillant nutzt.

Die Gesangs-Solisten goutieren offensichtlich die darstellerischen Möglichkeiten der ungewöhnlichen Situationen, genießen die Chancen nicht nur an der Rampe zu brillieren. Luis Chapa gibt einen penetranten US-Boy Pinkerton, überzeugt sängerisch mit durchschlagskräftiger Mittellage, vermag sich zu emotionalen Höhen zu steigern, vermittelt Gefühle mit kontrolliertem Stimm-Potential. Yunah Lee ist die Verkörperung der „Überläuferin“, die Renegatin in eine andere Kultur, am Ende das unausweichliche Opfer der Unvereinbarkeit existentiell divergierender Lebenserwartungen. Diesen Konflikt stellt sie berührend dar, verfügt über immense variantenreiche Stimmpotentiale, vermag Leid mit ausdrucksstarker Mittellage zu interpretieren, glänzt mit klaren Höhen. Henryk Böhms Sharpless gibt einen ambivalent-unentschiedenen Charakter, einen unbegriffenen Vermittler zwischen den Kulturen – überzeugt mit warm strömendem Bariton und einer flexiblen Intonation. Sarah Feredes Suzuki ist die permanent erinnernd-warnende Bewahrerin der Tradition, stimmlich subtil artikulierend, auf emotionale Ausbrüche verzichtend. Mit Tobias Haaks ist ein intriganter Goro zu erleben, Kenneth Bannon ist ein repräsentativer Yamadori auf silbern geschmücktem Rappen, Dae-Bum Lee ein am Tribünenrand aufsteigender Onkel Bonze – stimmlich überzeugend mit rollentypischer Phrasierungskunst. Der Chor des Braunschweiger Theaters agiert ausgesprochen engagiert, intoniert überaus souverän.

An einem zauberhaften Sommerabend treffen musikalische Umsetzung, gesanglicher Zauber, konzeptionelle Reflexion, imaginierende Szene, intensives Agieren den verborgenen Nerv eines erwartungsvollen Publikums - vermittelt durch eine hoch professionell perfekte Tontechnik, die niemals Töne verzerrt, vielmehr Klänge adäquat elektroakustisch sensibel umsetzt!

Franz R. Stuke

 






 
Fotos: Staatsheater Braunschweig