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Fakten zur Aufführung 

BARUCHS SCHWEIGEN
(Ella Milch-Sheriff)
25. Februar 2010 (Uraufführung)

Staatstheater Braunschweig


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Glaube nicht – der Himmel ist leer!

Ella Milch-Sheriff, geboren in Haifa, gehört zu den meistgespielten Komponisten Israels, sie schrieb und schreibt vor allem Vokalkompositionen. Ihre jüngste Oper Baruchs Schweigen entstand als Auftragskomposition des Staatstheaters Braunschweig und ist ihr bislang sicher persönlichstes Werk, vereinigt das Libretto doch Elemente aus den Tagebüchern ihres Vaters – Baruch Milch – , ihrer Mutter und ihrer eigenen autobiographischen Schrift. Im Mittelpunkt der Handlung steht die Figur der Tochter, die dem Testament ihres Vaters, eines jüdischen Arztes, folgt und in ihr Elternhaus zurückkehrt. Dort wird sie mit einer ihr bis dahin vollkommen unbekannten Familiengeschichte konfrontiert, die sich während des Zweiten Weltkriegs zugetragen hat. Diese Geschichte wird vor ihrem inneren Auge zum einen von den beteiligten Figuren selbst, zum anderen von ständig um sie schwirrenden Geistern erzählt und gespielt. Die Tochter ist ganz klar als autobiographische Figur angelegt. Auf Grundlage der Textbausteine schrieb die auch in Deutschland bekannte und erfolgreiche israelische Autorin und Dramatikerin Yael Ronen das Libretto auf Hebräisch, Vera Giese richtete anhand einer Übersetzung ins Englische die deutsche Textfassung ein, auf die Ella Milch-Sheriff dann die Oper komponierte. Die ganz persönliche Fassung der zehn Gebote von ihrem Vater sind dabei ein zentrales Element – das zehnte Gebot ist dabei vielleicht das hoffnungsloseste: glaube nicht – der Himmel ist leer!

Das kleine Haus des Staatstheaters Braunschweig bietet gerade den richtigen Raum für diese Kammeroper für acht Solisten und ein vierzehnköpfiges Kammerorchester. Ella Milch-Sheriff entwirft ein bezwingendes Psychogramm der Tochter, die teils als aktive Mitspielerin, teils als Beobachterin die grausame Geschichte um die erste Frau ihres Vaters, mit der er bereits einen Sohn hatte, den Verlust dieser Familie, den Bruder des Vaters und wiederum dessen Kind, das am Ende getötet wird. Auch wenn die äußeren geschichtlichen Ereignisse das Gerüst der Handlung bilden, so stehen historische Fakten hier weniger im Vordergrund als das Innenleben der Beteiligten. Milch-Sheriffs Tonsprache ist mal dramatisch-aufbrausend, mal kammermusikalisch, mal ganz liedhaft, dabei bleibt sie einer tonalen Grundlage verpflichtet, nennt selbst etwa Kurt Weill als eines ihrer musikalischen Vorbilder. Der israelische Regisseur Ido Ricklin schafft zusammen mit seiner Ausstatterin Neta Haker nicht nur optisch einen gläsernen, durchsichtigen Raum, sondern lässt durch seine Personenführung auch tief in das Innere der Figuren blicken.

Burkhard Bauche setzt die Partitur mit dem Kammerensemble des Staatsorchesters präzise und plastisch um. Das Ensemble setzt starke stimmliche Akzente, wobei Sarah Ferede als Tochter herausragt. Jan Zinkler als Vater und Jacqueline Treichler als Mutter machen die Nöte des Ehepaares glaubhaft. In Doppelrollen als Geister, erste Familie des Vaters, Soldaten etc. ergänzen Moran Abouloff, Susanna Pütters, Sel çuk Hakan Tiraşoğlu und Lucas Vanzelli kompetent das Ensemble – und sehr anrührend geben Noah Mensik und Stefan Peiner die Kinderrolle der Söhne.

Großer Applaus für diese bemerkenswerte Uraufführung, Ella Milch-Sheriff galt dabei der größte Zuspruch des Publikums. Sie hat mit dieser Oper vor allem großen Mut bewiesen, sich so tiefgreifend mit der eigenen Lebensgeschichte auseinanderzusetzen.

Christian Schütte

 








 
Fotos: Jochen Quast