Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

KRÓL ROGER
(Karol Szymanowsky)
16. Mai 2009
(Premiere: 9. Mai 2009)

Theater Bonn


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Selten gehört

Król Roger ist sowohl ein Produkt der großen Begeisterung Szymanowskis für Italien und den Mittelmeerraum ('Würde Italien nicht existieren, würde ich nicht sein.'), als auch der inspirierten Nietzsche-Lektüre des ausgehenden Jugendstils. Klangsinnlichkeit, der Hang zum Süden und zur Exotik, Elemente der Dekadenz und der ersten Erfahrungen mit der Psychologie Freudscher Prägung sind denn auch die Ingredienzen des 1917 bis 1924 entstandenen und 1926 in Warschau uraufgeführten, etwa 90minütigen Werkes.

Szymanowski siedelt die Handlung auf Sizilien im Spätmittelalter an: König Roger II (1095-1154, Großvater des Stauferkaisers Friedrich II) herrscht über ein in heutiger Terminologie multikulturelles, multireligiöses Reich. Doch das Christentum scheint geschwächt, es wird bedroht von einem antikisierenden, pantheistischen, dionysisch-ekstatischen Kult, der von einem Hirten verbreitet wird. Roger II als Beschützer des christlichen Klerus will den neu-alten Kult zunächst unterdrücken, verliert dann zuerst seine Frau an ihn, um ihm dann schließlich selbst zu folgen. Doch es bleibt am Ende unklar, inwieweit sich der König auf ihn einlässt oder ob es nur eine temporäre Verfehlung oder Nachgiebigkeit auf dem langen Weg der Selbsterkenntnis ist.

Die Regie von Hans Hollmann an der Bonner Oper geht mehrschichtig vor. Auf die Folie der geschilderten Handlung legt Hollmann eine Deutung, die Król Roger als verdeckte Autobiografie des Verfassers liest. Der König im rotseidenen Fin-de-Siècle-Outfit macht gleich zu Anfang einen gebrochenen, wenig tatkräftigen Eindruck. Er ist mehr mit der Selbstbespiegelung im großen goldenen Spiegel beschäftigt, als mit den Geschicken des Amtes. Sein Berater Edrisi, konzipiert als Sigmund Freud im Arztkittel mit Notizblock, ist auch Ratgeber in allen Seelenbelangen. Das Verhältnis von Roger zu Roxane, seiner Frau, ist als sehr distanziert, fast beziehungslos charakterisiert. Der junge Hirte, die zentrale Pointe der Aufführung, erscheint als Alter-Ego des Königs. Er ist identisch gekleidet, bewegt sich aber selbstbewusster und agiler durchs Leben, als Sinnbild eines geglückten, sinnlich-sinnvoll gelebten Lebens. Während die Attribute des Königs, Schwert und Krone, der Pflicht des Amtes genügen, ist das des Hirten eine rote Rose. Worauf das uneingestandene, unausgelebte Begehren ausgerichtet ist, offenbaren Videoeinspielungen und ein kurzer Auftritt eines adretten Jünglings im Tennisdress, eine klare Reminiszenz an Viscontis Thomas-Mann-Verfilmung 'Tod in Venedig'.

Stefan Blunier, der neue Bonner GMD in seiner ersten Spielzeit, ist ein erklärter Szymanowski-Fan. Bereits 1978 habe er die erste Dirigierpartitur der Oper erstanden. Die lange Erfahrung findet denn auch ihren schönsten Niederschlag in der aktuellen Inszenierung. Klangschön, ausgewogen und ohne Überreizungen spielt das Bonner Beethovenorchester unter seiner Leitung; ganz natürlich, als hätte es Szymanowski schon immer im Repertoire gehabt. Die Rollen sind ohne Ausnahme adäquat besetzt. Asta Zubaite hat große Auftritte als Roxane, souverän Mark Rosenthal als Berater Edrisi und George Oniani als Hirte. Mark Morouse, mit einer Kehlkopfentzündung indisponiert, konnte die Rolle des Königs an dem Abend nur spielen und wurde von Mariusz Godlewski als rettendem Einspringer am Bühnenrand stimmlich gedoubelt. Godlewski hat sich am Breslauer Opernhaus die Rolle perfekt angeeignet und ist eine ganz herausragende Spitzenbesetzung für König Roger - ein Zwischenfall, der das Niveau der Inszenierung weiter steigerte und der sonst nicht immer lupenreinen Idiomatik sehr zu gute kam.

Das in der zweiten Aufführung so gut wie ausverkaufte Haus reagierte ausgesprochen positiv auf die nicht nur in Bonn ganz ungewohnten Klänge.

Dirk Ufermann

 




 
Fotos: Thilo Beu