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Fakten zur Aufführung 

DER RING
(Frank Nimsgern)
16. Dezember 2007 (Uraufführung)

Theater Bonn


Points of Honor                      

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Wagner light and heavy

Spätestens als Siegfried von Alberich erschaffen wurde, Retortenriesenbaby, geformt in einer Mischung aus überdimensionaler Backform und Eiserner Jungfrau, tapsig wie Frank´N Furters Kreatur, schön wie keiner mehr seit Uwe Bayer, halb Recke, halb Tarzan, war auch dem letzten unter den Zuschauern klar: Frank Nimsgern führt das allen Wagnerianern präsente Konglomerat an Ring-Mythen nicht brechungsfrei über in eine Rockoper. Er transformiert, er persifliert, manchmal übermütig, oft lausbübisch. Werktreue ist nicht sein Ziel, stattdessen Kolportage, Unterhaltung, mit dem Spagat, bildungsferne Jungschichten ebenso ansprechen zu wollen (und es auch zu tun) wie Wagner-Rezipienten, die sich einlassen auf das freihändige Umschreiben der Geschichte. Grand mit Vieren, mit einer dann doch wieder ernsten Leitidee. Es ist der Mythos der Macht, eine Geschichte von Ablösungen und Freudschem Vatermord, garniert mit einer bedenkenswerten Religionskritik, lupenrein aktualisierter Feuerbach, einschließlich Lösungsmodell „Liebe“. Viele psychologisch fein ziselierte Details, wie Abspaltungen (zwei Mädchen, Tagtraum und Nachttraum, Ich und anima und ein kleiner Ödipus in der Rahmenhandlung), die Vergeblichkeit gewährter Ablösungen (psychologisch stark der Song, in dem Wotan seiner Tochter Brunhild die Gottheit von den Augen zu küssen anbietet) und die nicht ohne Verwundungen mögliche Befreiung von unten, ohne Augenkontakt der entscheidende Stoß. Es gehört zu den großen Stärken der Grundidee zu vermitteln, dass (wir) erst die alten „Götter“ stürzen müssen, bevor wir zur Liebesfähigkeit befreit sind. Dass sich Brunhild und Siegfried am Schluss „bekommen“, ist absolut folgerichtig und einsichtig.

Gerade weil die konzeptionelle Leitidee „Macht“ ansprechend und subkutan in der Wagnerschen Vorlage angelegt ist (Heine preist nicht umsonst Wagner voller Wehmut als einen „in Dresden, der zählte einst zu den Besten“), verwirrt die gelegentliche Zuspitzung auf kokett wirkende Anbiederungen an den Jugendzeitgeist. Die vier Rheintöchter (Judith Jakob, Michaela Kovarikova, Stephanie Theiß und Marciel Wölk) eine Idee zu blond, Määnzer Karneval trifft notgeile Französin, Russin und Amerikanerin. Submarine Jakobs-Sisters. Ist die Hommage an Pasolinis 120 Tage von Salo in der Bergwerksszene noch wunderbar gelungen, verweist der aufblühende Riesenmohn während Siegfrieds Allmachtsphantasien und sich dabei an Gottes Stelle setzend dialektisch auf Marxens Diktum vom Opium fürs Volk, erinnert dann wieder die Erzählweise, Klein-anima am Bühnenrand, die Lippen zur Männerspreche aus backstage bewegend, unangenehm an den Exorzisten. Gerade weil Nimsgern mit hoher Intellektualität ausgestattet und zur Subtilität erwiesener Maßen und in Bonn anzusehen fähig ist, bleibt die Frage, ob die gelegentliche Referenz an jugendliche Strukturen unbedingt nötig war. Off broadway lässt manche Korrektur erhoffen.

Seine Komposition ist für jeden Rockfan eine absolute Offenbarung. Ob er wahrzunehmen in der Lage ist, dass Nimsgern zwölf Motive aus der Wagnervorlage übernimmt oder nicht. Allein die Musik konstituiert schon die raison d´etre für das Opus. Komposition wie deren vorzügliche Ausführung, Nimsgern selbst an Gitarren, Sitar und Piano. Die Frank Nimsgern Group in Hochform.

Der Text – Daniel Call - kann mit der Qualität der Musik nicht immer mithalten. Feinen Balladen und peppigen Songs stehen Herz-Schmerz-Reimübungen zur Seite, Dieter Thomas Heck als Übervater aller Saarländer, manche befremdliche Metapher kommt dazu (Gott/Vater etwa als müdes altes Tier). Dem Publikum werden leider zu oft Allgemeinplätzchen, Aneinanderreihungen von Alltagspoesie (Der Weg ist das Ziel- usw. usw.) verabreicht. Das Bekannte depraviert leicht zum Trivialen.

Christian von Götz inszeniert das Stück, wobei die Daueranwesenheit des Schöpfers und musikalischen Leiters Nimsgern es schwer macht, auszumachen, wem welche Meriten zustehen. Bis auf die kürzbare Rahmenhandlung ein furioses Tempo. Für ein relativ kleines Haus gelingt Erstaunliches. Das Wagnis von Generalintendant Klaus Weise für diese Produktion hat sich nicht nur wegen der enormen medialen Aufmerksamkeit, auch wegen des Ergebnisses gelohnt.

Ein beeindruckendes Bühnenbild (Heinz Hauser), mit ungeheurem technischem Aufwand, wunderbaren Lichteffekten, gelungenen Spiegelungen.

Die Kostüme (verantwortlich: Gabriele Jaenecke) absolut Broadway-tauglich. Oft erotisch, immer im Dienst der Message, ästhetisch ansprechend.

Die Protagonisten: Überragend Darius Merstein MacLeod als Alberich. Die Musicalstimme schlechthin, dazu noch ein exzellenter Schauspieler.

Aino Laos gibt eine differenzierte, ebenfalls sehr schön singende Brunhild. Karim Khawatmi in der Rolle des Wotan ausdrucksstark und rollendeckend. Die Stärken von Markus Hezel als Siegfried liegen zweifelsohne in seinem phantastischen Aussehen und der großen tänzerischen Ausdruckskraft.

Die Choreographie (Marvin A. Smith) und das Ballett sensationell gut. Hier zeigt sich insbesondere, warum Nimsgern-Musicals zu den Rennern schlechthin gehören. Der Feuertanz, das Drachenmaul, künstlerisch absolute Highlights, die alleine schon den Besuch für jeden Musical-Freund zu einem Muss machen.

Das herrlich gemischte Publikum, Teenies bis Altvordere aus der Wagner-Gesellschaft, feiert minutenlang mit standing ovations. Der anwesende Bariton-Vater Siegmund, einst selbst Wotan in Bayreuth, ist stolz auf seinen Sohn, spricht von intellektuellem Genuss, einer Hommage an Wagner und herrlicher Persiflage in einem. Guildo Horn, abgespeckt und der wilden Haare Zähmung durchgeführt, muss frisch verliebt sein. Er schwärmt vom wunderschönen Bühnenbild, zeigt sich erleichtert, dass der Sound im Opernhaus zum Tragen kam, ist von den Stimmen angetan, findet es gut, dass Wagner auf die leichte Schulter genommen wurde und sieht einen echten Frank Nimsgern. Selbst eingefleischte Wagnerianer nehmen das Stück an - dann steht einem Megaerfolg ja wohl nichts im Wege.

Frank Herkommer

Und in diesem Fall gibt es noch zusätzliche Points für

Komposition:
Konzept:
Text:
Choreografie:

 

 






Fotos: Theater Bonn